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Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Engels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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und weißen Wände empfand sie als kühl und karg. Auch die dunkelroten Vorhänge, die farblich zu den beiden antiken Sesseln und der Couch passten, änderten daran nichts. Der Raum wirkte … unbewohnt. Es gab keine Fotos, keine herumliegenden, angelesenen Bücher, keine Chipskrümel auf dem Tisch, nichts, was darauf hingedeutet hätte, dass sich Jean jemals hier aufhielt. Was hätte er in diesem Zimmer auch tun sollen? Sie entdeckte keinen Fernseher, keinen CD-Player und auch kein anderes technisches Gerät.
    »Setzen wir uns und vergessen einfach, wie unsere letzte Begegnung verlaufen ist«, schlug Jean vor. »Du scheinst deine Meinung geändert zu haben. Was führt dich her?«
    Sophie setzte sich auf einen der Sessel, während er sich auf dem Sofa niederließ. Womit sollte sie anfangen? Sie stellte das Glas auf dem Tisch ab und bemerkte eine dünne, bis zu diesem Zeitpunkt ungestörte Staubschicht darauf. »Ich … bin mir nicht mehr so sicher, was ich von der ganzen Sache halten soll.«
    Er sagte nichts, sah sie nur fragend an.
    »Es gibt da ein paar Dinge, die mir komisch vorkamen, und ich glaube, ich bin hier, weil du vielleicht stimmigere Erklärungen dafür hast als ich. Also versteh mich nicht falsch, ich … ich weiß noch nicht, ob ich am Ende wieder schreiend davonlaufe.« Sie lächelte schief.
    Jean schmunzelte. »Irgendwelche Wünsche, wo ich anfangen soll?«
    »Du hast gesagt, dass mein Verlobter tot und als Engel zurückgekehrt sei. Wie sicher bist du dir und warum?«
    »Für solche Informationen habe ich sehr zuverlässige Quellen«, behauptete er. »Aber es gibt auch Indizien, die du selbst nachprüfen kannst. Warum zum Beispiel geht er in einem Haus ein und aus, als ob er dort lebt, obwohl er keine Wohnung gemietet hat? Nicht mal ein Zimmer. Welchen Namen hat er dir genannt? Frag nach ihm! Wenn du nachforschst, wirst du feststellen, dass er kein Telefon hat, keine Post bekommt und nirgends registriert ist. Offiziell existiert er gar nicht.«
    »Das reicht mir nicht. Es könnte auch daran liegen, dass er sein Gedächtnis verloren hat und illegal eingereist ist.«
    »Du meinst, er lebt wie ein Clochard auf der Straße?«
    Sie zuckte die Achseln, aber sie konnte es selbst nicht recht glauben. Um nicht zu verwahrlosen, hätte er jeden Tag irgendwo duschen und außerdem neue T-Shirts stehlen müssen. »Schön, nehmen wir an, du hast recht. Wenn er nur eine Art Geist, ein Engel ist, wie kann er dann leibhaftig vor mir stehen, atmen, essen …« Seine Küsse kamen ihr in den Sinn, die sie nicht vor Jean ausbreiten wollte. »Ich meine, du hast selbst mit ihm gesprochen. Er ist keine Erscheinung, die ich mir nur einbilde.«
    »Aus einer bestimmten Perspektive betrachtet, ist er nur eine Erscheinung«, erwiderte Jean lächelnd. »Aber deine Beobachtung ist trotzdem richtig. Engel besitzen die Fähigkeit, vorübergehend einen materiellen Körper anzunehmen. Auf diese Art haben sie schon in der Bibel unerkannt mit Lot gespeist und Tobias mehrere Tage durch die Wüste begleitet. Was ihnen fehlt, ist die innige Verbindung, die wir mit unserem Körper haben, weil wir hineingeboren werden und die Welt durch ihn wahrnehmen, während ein Engel keine Sinnesorgane braucht. Er ist ein Geistwesen und weiß einfach um die Natur der Dinge.«
    Sophie merkte auf. »Heißt das, dass sie auch Gedanken lesen können?«
    »Ja, wenn sie ihre Aufmerksamkeit auf ihn richten, wissen sie, was in einem Menschen vorgeht. Aber solange sie sich nicht verraten wollen, bemühen sie sich darum, es dich nicht merken zu lassen.«
    »Dann …« Eine unbestimmte Angst packte sie. »Dann könnte er wissen, dass ich jetzt hier sitze und mit dir über ihn spreche?«
    »Er könnte sogar hier bei uns im Zimmer sitzen, ohne dass du es merkst.«
    Mühsam unterdrückte Sophie den Impuls, sich furchtsam umzublicken. Es ist nur abergläubischer Unsinn. Woher will er das alles wissen? Außerdem war es nicht logisch. Wenn ein Engel im Raum war … »Müsste es hier dann nicht unnatürlich still sein?«
    »Weshalb?«, staunte Jean. »Kannst du in seiner Gegenwart nicht reden?«
    »Äh, doch schon, aber …« Sie erwog, ihm von ihrem Erlebnis im Jardin du Luxembourg zu erzählen, verwarf die Idee jedoch. Wenn er Fragen dazu stellte, kamen vielleicht zu viele Details zusammen, und sie wollte auf keinen Fall, dass er erfuhr, was zwischen Rafe und ihr im nächtlichen Park vorgefallen war. »Heißt es nicht immer, ein Engel sei durchs Zimmer

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