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Der Kuss des Greifen (German Edition)

Der Kuss des Greifen (German Edition)

Titel: Der Kuss des Greifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
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loszulassen. Stattdessen legte er den Kopf an ihre Schulter und sagte in ihr Haar hinein: »Ich schulde dir noch immer einen Gefallen.«
    Sie seufzte. »Du schuldest mir überhaupt nichts«, sagte sie. »Du bist vollkommen frei, wie es die Natur gewollt hat.«
    »Dann vergiss den verdammten Gefallen«, sagte Rune. »Ich bleibe trotzdem hier. Wir werden einen Weg finden, dir zu helfen. Ich bin nämlich noch nicht bereit, dich sanft entschlafen zu lassen, Carling.«
    Angespannt stand sie da, während sie über seine Worte nachdachte. Konnte sie die nötige Energie und das Interesse aufbringen, um weiterzuleben, obwohl sie sich an den Gedanken gewöhnt hatte, bald zu sterben? Was konnte Rune tun, das sie nicht längst getan hatte? Sie war eine Zauberin im Zenit ihrer Fähigkeiten, doch so alt und gut ausgebildet sie auch war, er war sehr viel älter. Gut möglich, dass er Dinge wusste oder auf Ideen kam, die sie noch nicht versucht hatte.
    Die Spannung wich aus ihrem Körper, und mit stillschweigender Ergebenheit ließ sie sich an seine Brust sinken.
    »Sanft bin ich noch nirgends hingelangt«, sagte Carling, drehte den Kopf zur Seite und legte ihre Wange an seine. »Ich wüsste nicht, warum es beim Tod anders sein sollte.«

4
    Rune blieb reglos stehen und genoss es, Carlings biegsamen Körper in seinen Armen und ihre kühle Wange an seiner zu spüren.
    In all seinen Sinnen löste sie ein Kribbeln aus. Das Gewicht ihres kurvenreichen Körpers ruhte in seinen Armen, und ihre Haut lag so unglaublich weich an seiner wettergegerbten Wange. Das Parfum, das sie trug, beschwor Bilder von fernen Orten herauf, und darunter lag der köstliche, erotische Duft einer erregten Frau. Die kluge, gefährliche Sprunghaftigkeit ihrer Gedanken weckte höchste Wachsamkeit in ihm, und ein rauchiger Anklang ihrer magischen Energie streifte ihn wie eine geschmeidige schwarze Katze, die sich um seine Knöchel wand. Es juckte ihn in den Fingern, die Krallen auszufahren. Er wollte ihr zartes Ohrläppchen zwischen die Zähne nehmen und daran saugen und seine Krallen in die Wände schlagen.
    Er wusste, dass er die Faszination, die er für sie entwickelt hatte, dämpfen musste. Er hatte auch tatsächlich vor, sofort damit anzufangen, sobald sich in seinem engen Zeitplan ein Fenster auftat. Es gab so viele Gründe dafür, dass es ihn schon ermüdete, sie sich auch nur anzuhören. Carlings kleines Gleichnis von Licht und Schatten hatte ihn zwar verärgert, doch in dieser Symbolik lag auch das ganze Gewicht der Unterschiede zwischen ihnen: Spezies, Lebensstil, politische Loyalitäten.
    Außerdem wusste er, dass er sich nicht geirrt hatte. Noch immer konnte er spüren, wie sie ihre sinnlich geformten Arme um seinen Hals geschlungen hatte. Sie hatte seinen Kuss erwidert, und es hatte ihr zu gut gefallen. Das war der Grund für das Erschrecken gewesen, das er in ihren Augen erblickt hatte, und genau deshalb hatte sie ihn geschlagen.
    Und sie starb. Alles in ihm brüllte ein rasendes Dementi. Es schien unmöglich. Alle Anzeichen deuteten darauf hin, dass sie bei bester Gesundheit war, zu strahlend, zu lebendig war ihre Energie.
    Darüber hinaus war sie schon zu lange ein fester Bestandteil seines Lebens. Anfangs war es ein unbestimmtes Gerücht über die Königin eines Wüstenstamms in der nördlichen Sahara gewesen. Dann hatte sie sich während ihres Aufstiegs in den Vampyrgesellschaften des antiken Mittelmeerraums einen Ruf gemacht. Und in den letzten paar Jahrhunderten, in denen die verschiedenen Mächte der Alten Völker in Nordamerika ihre politischen Nischen und geografischen Grenzen etabliert hatten, war sie zu einer wichtigen Größe in den Machtverhandlungen zwischen den einzelnen Reichen geworden.
    Als sie sich bewegte, ließ er sie los, ehe sie auf den Gedanken kommen konnte, er würde sie auch nur einen Augenblick zu lang festhalten. Auf die kristallklaren Linien der Logik gerichtet, wandte er sich dem aktuellen Problem zu. »Ich möchte wissen, was du bereits unternommen und welche Untersuchungen du durchgeführt hast. Es hat keinen Sinn, an Stellen zu suchen, die du bereits abgedeckt hast.«
    »Natürlich«, sagte Carling. Mit gerunzelter Stirn betrachtete sie ihn. Dann kam sie offenbar zu einer Entscheidung. »Komm mit«, sagte sie.
    Er folgte ihr. Sie führte ihn auf einem anderen Weg durchs Haus. Rhoswen war mit dem Hund verschwunden, vielleicht, um sich auszuruhen. Zwar konnten Vampyre den ganzen Tag über wachbleiben und taten es auch

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