Der Kuss des Greifen (German Edition)

meinen Jerry-García-Zwirn«, sagte Rune. Seine kräftigen Gesichtszüge verzogen sich zu einem schneidenden, katzenhaften Lächeln. »Du musst gerade reden, so wie du in deinem ägyptischen Kaftan rumläufst, ohne auch nur einen Hauch Stoff darunter zu tragen. Lady, ich habe Sie beobachtet, und ich weiß Bescheid.«
    »Du hast mich die ganze Zeit beobachtet, seit ich aus dem Fluss gestiegen bin«, flüsterte sie. »Das habe ich bemerkt.«
    »Ich konnte den Blick nicht abwenden«, flüsterte er zurück, »du bist nämlich atemberaubend. Eigentlich könntest du mich ruhig noch mal schlagen, wenn du möchtest. Lass uns anfangen. Ich glaube nämlich, dass ich dich noch mal küssen muss, und das ist es so was von verdammt wert.«
    Das Begehren war wieder da. Es tobte in ihm – oder in ihr, sie konnte es nicht mit Gewissheit unterscheiden. Als er sich vorbeugte, wich sie ruckartig zurück und legte abwehrend die ausgestreckte Hand gegen seine festen, breiten Brustmuskeln. »Rune«, sagte sie wieder, ihre Stimme war kühl und klar. »Hör auf.«
    Er verengte die Augen. »Warum? Du hast dich voll und ganz auf diesen Kuss eingelassen.«
    »Und du bist ein Dummkopf.« Sie stieß ihn hart von sich, sodass er ein Stück zurücktaumelte und der Länge nach in den Lichtstreifen der einfallenden Morgensonne fiel. Er stützte die Hände hinter dem Rücken auf und sah Carling abschätzend an. Er war eine unheimlich große, kraftvolle Schönheit von einem Mann mit tief sonnengebräunter Haut und einem langen, von geschmeidigen Muskeln überzogenen Körper. Es tat weh, ihn anzusehen.
    Sie stand auf und trat dicht an den Rand des Sonnenlichts, und sein träges Lächeln verschwand. Schneller, als sie ihn je gesehen hatte, sprang er auf die Füße und brachte seinen Körper zwischen sie und das Licht.
    »Sieh uns nur an«, sagte sie. Ihr Gesicht und ihre Augen waren hart. Sie machte eine Geste, die sie beide einschloss, ihn, der vom Licht umgeben war, und sie, die im Schatten stand. »Darum. Und einer von uns stirbt.«
    »Ich nehme es zurück«, sagte Rune. »Du bist keine tapfere Heldin. Du bist eine hysterische Ziege.« Mit flachen Händen stieß er gegen ihre Schultern und beförderte sie einen Schritt zurück. Als er aus dem Sonnenlicht in den Schatten trat, starrte sie ihn erschrocken an. »Nun, sieh dir das an. Es ist eine vollkommen durchlässige Linie. Auch du kannst sie überschreiten, wenn du dich abschirmst.«
    »Wie kannst du es wagen?«, zischte sie.
    »Die Leute vergessen immer, dass ich auch diese Seite an mir habe, ich weiß selbst nicht, warum. Du wärst überrascht, was ich alles wagen würde«, sagte Rune. Mit loderndem Blick trat er auf sie zu. »Was hast du denn gedacht? Hattest du vor, hier draußen auf deiner einsamen Insel zu sitzen und dahinzuscheiden?«
    Er sah wütend aus. Und umwerfend. Sein Anblick riss tiefe Wunden in ihre Seele. Ihre Konturen verschwammen mit tödlicher Geschwindigkeit. Sie schlug nach ihm – und erschrak, als er ihren Schlag abwehrte. Heilige Götter, war er schnell.
    »Ich habe Neuigkeiten für Euch, Prinzessin«, fauchte er. »Es ist an der Zeit, dass Ihr verdammt noch mal aufwacht und etwas tut, um Euer Leben zu retten.«
    »Glaubst du, das hätte ich nicht versucht?«, schrie sie. Rasende Wut machte sie blind. Erneut schlug sie nach ihm, diesmal traf sie seine Brust. »Du unverschämter Mistkerl. Seit fast zwei Jahrhunderten forsche ich daran. Ich habe mir meine eigenen Heiltränke verordnet, und eine Zeit lang haben sie gewirkt, aber jetzt nicht mehr. Ich weiß einfach nicht, WAS ICH NOCH TUN SOLL .«
    Sie fuhr herum und stürmte davon, wollte nur noch weg von ihm. Er sog die Luft ein, stürzte ihr hinterher und riss sie an seine Brust.
    Als ihr bewusst wurde, was sie gerade getan hatte, erstarrte sie. Beinahe wäre sie ungeschützt ins volle Sonnenlicht gelaufen.
    Sie starrte auf die Linie, die sie fast überschritten hätte. Von hinten schlang Rune die Arme um sie und hielt sie so fest, dass sie seinen hämmernden Herzschlag zwischen ihren Schultern spürte. Beide atmeten schwer.
    »Das war bemerkenswert idiotisch von mir«, sagte sie. Sie musste sich räuspern, bevor sie die Worte herausbrachte. »Glücklicherweise bin ich nicht oft so dumm, sonst hätte ich nicht so lange überlebt.«
    Sie legte den Schutzschildzauber wieder auf; magische Energie schimmerte auf ihrer Haut.
    Obwohl er gespürt haben musste, dass sie den Zauber anwendete, machte er keine Anstalten, sie