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Der Kuss des Greifen (German Edition)

Der Kuss des Greifen (German Edition)

Titel: Der Kuss des Greifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
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angefangen, mit den Menschen in Kontakt zu treten. Vor allem das ägyptische Pantheon war von Mensch-Tier-Wesen bevölkert.
    Er kannte sich in Menschendingen nicht aus, aber wenn er hätte raten müssen, hätte er diese Carling auf unter zehn Jahre geschätzt. War sie als Kind wirklich so gewesen, oder war es nur eine Projektion ihrer Seele? War dies das Kind, das sie einst gewesen zu sein glaubte? Schieres Staunen brachte ihre intelligenten Augen zum Leuchten. Der Anblick ihrer Zartheit schnürte ihm die Kehle zu. Sie war nur ein Kind. Die Gesamtheit eines sehr langen, ungewöhnlichen und wahrscheinlich oft schwierigen Lebens hatte sie noch vor sich, aber davon konnte diese Carling unmöglich etwas wissen.
    Langsam ging er neben ihr in die Hocke, um nicht über ihr aufzuragen. Sie zitterte, lief aber nicht davon. So ein tapferes Baby. Er räusperte sich. »Wie heißt du, Darling?«
    Darling. Er benutzte das englische Wort, weil er keine direkte Entsprechung im Altägyptischen kannte.
    In einer klassischen Geste kindlicher Unsicherheit zog sie eine ihrer schmalen Schultern bis zum Ohr hoch und lächelte ihn vorsichtig an. »Khepri«, flüsterte sie.
    Rune verliebte sich Hals über Kopf. Er lachte ein wenig atemlos und fühlte sich, als hätte ihm gerade ein Maultier vor die Brust getreten. »Khepri«, wiederholte er. Wenn er sich recht erinnerte, bedeutete das Wort Morgensonne. »Das ist ein schöner Name.« Er deutete auf die Ansammlung von kleinen Häusern in der Nähe des Flussufers. »Lebt dort deine Familie?«
    Sie nickte. Neugier besiegte ihr Staunen, und sie wagte sich ein paar Schritte näher an ihn heran. »Wie heißt du?«
    Er hielt den Atem an. Nichts wünschte er sich sehnlicher, als dass sie ihm vertraute und sich ihm näherte. »Ich heiße Rune.«
    Er beobachtete, wie ihre Lippen das fremde Wort formten, als sie es stumm ausprobierte. Sie musste ein intelligentes Kind gewesen sein, dem man kaum jemals etwas hatte zweimal erklären müssen. Er fragte sich, wann sie den anglisierten Namen Carling angenommen hatte und warum.
    Während er auf das Bündel Getreide und das Messer deutete, sagte er: »Du bist bei der Ernte.«
    Mit einem betrübten Seufzer blickte sie auf das Bündel. »Es ist harte Arbeit. Ich würde lieber fischen.«
    Er grinste. »Wohin bringt dein Dorf sein Getreide?«
    Sie zeigte nach Norden. »Nach Ineb Hedj«, erklärte sie. Stolz fügte sie hinzu: »Es ist eine wirklich tolle Stadt.«
    Ineb Hedj. Die Weiße Mauer. Die Stadt war nach dem Damm benannt worden, der sie umgab und den Nil erfolgreich abhielt; er war einer der ersten seiner Art in der Geschichte der Menschheit. Die um 3000 vor Christus gegründete Stadt lag zwölf Meilen von der Mittelmeerküste entfernt und hatte eine lange, illustre Geschichte. Letztendlich sollte sie den Namen Memphis erhalten. Es hatte eine Zeit gegeben, da sie die größte Stadt der Welt gewesen war. Khepri hatte recht, es war ein toller Ort.
    In der Ferne hörte er das rhythmische Geräusch von Hufschlägen, und ihm fielen die Männer auf ihren Pferden wieder ein, die er vorher aus der Luft gesehen hatte. Wenn Khepris Dorf das Getreide nach Ineb Hedj brachte, konnte es nicht weiter als einen Tagesmarsch entfernt sein. Wahrscheinlich kamen die Reiter aus der Stadt.
    Er lächelte. Alles an diesem Kind verzauberte ihn, angefangen damit, wie sie mit Daumen und Zeigefinger an ihrer Unterlippe zog, bis zu der Art, wie sie dastand und einen schmutzigen Fuß auf dem anderen balancierte. Wie hatte sie sich von dieser ärmlichen Herkunft zu einer der mächtigsten Herrscherinnen der Alten Völker entwickelt?
    »Warst du schon mal in Ineb Hedj?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich darf nicht.«
    »Das wird sich eines Tages ändern«, sagte er.
    Khepri blickte in die Richtung, aus der die Hufschläge kamen. »Hörst du das?«, fragte sie.
    »Ja.«
    »Es geschieht etwas.« Und wieder sah sie aufgeregt und verstört aus.
    Das Dorf musste so weit von der Stadt entfernt liegen, dass die Reiter ein besonderes Ereignis waren. Stirnrunzelnd richtete er sich auf und blickte Richtung Norden. Khepri stellte sich dicht an seine Seite.
    Als die Reiter näher kamen, traten die Dorfbewohner aus ihren Hütten. Niemand bemerkte Rune oder sah auch nur in ihre Richtung. Alle starrten die herannahenden Reiter an. Rune schob das Kinn vor. Ihm gefiel nicht, wie die Reiter ihre Speere hielten und mit welch aggressiver Geschwindigkeit sie sich näherten.
    Er legte Khepri eine Hand auf die

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