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Der Kuss des Greifen (German Edition)

Der Kuss des Greifen (German Edition)

Titel: Der Kuss des Greifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
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annähernd so perfekt und gefasst aus wie sonst, sondern zerzaust und verängstigt und sehr jung. »Es ist sogar ziemlich dunkel. Ich hatte mir nur gedacht, dass du als Wyr gute Augen hast und es dir deshalb nichts ausmacht.«
    »Oh-kay«, sagte Rune. Er spitzte die Lippen zu einem lautlosen Pfiff. »Gehen wir rein. Aber vorsichtig.«
    Er trat auf die Tür zu und schob sie langsam weiter auf, wobei er darauf achtete, dass nichts von dem Licht, das er sah – oder zu sehen glaubte – direkt auf Rhoswen fiel. Der Flur wurde immer heller, je weiter er die Tür öffnete. Für ihn sah es noch immer aus wie Sonnenlicht, und es fühlte sich an, als sei es voller Magie. Mit dem Finger zeichnete er eine Linie in die Luft. »Hier hört dieses Licht auf. Ich möchte, dass du nur die Fingerspitze hineinhältst.«
    Jetzt sah sie ihn an, als erwartete er etwas vollkommen Verrücktes von ihr. Aber sie tat, was er gesagt hatte, und streckte den Zeigefinger aus, bis er die Grenzlinie durchkreuzte, die er ihr gezeigt hatte. Beide starrten auf ihren Finger, der ohne Verbrennungen blieb.
    »Siehst du das Licht immer noch?«, fragte Rhoswen.
    »Sonnenklar«, teilte er ihr mit. »Aber wenigstens scheint es für dich keine Verbrennungsgefahr darzustellen. Wir sollten trotzdem vorsichtig sein.« Er betrachtete sie nachdenklich. »Besitzt du magische Energie oder Magiebegabung?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe nur das, was jeder Vampyr hat – es reicht für Telepathie und um die Grenze zu Anderländern zu überqueren. Ein Nebeneffekt des Virus. Als Mensch war ich ein völliger Deadhead.«
    Deadheads waren Personen, die keine magische Energie oder Magiebegabung besaßen, und nicht etwa Grateful-Dead-Fans. Wenn Rhoswen keine Magiebegabung hatte, besaß sie auch nicht viele magische Verteidigungsmechanismen.
    Rune schüttelte den Kopf. »Gut. Also, aus diesem Raum fällt Magie, die aussieht wie Sonnenlicht, und ich bin nicht gewillt, dem in irgendeiner Form zu trauen. Ich möchte, dass du hier bleibst.«
    Das Kinn der Vampyrin versteifte sich. »Carling könnte mich brauchen.«
    Er verzichtete darauf, mit den Augen zu rollen, wenn Rhoswen beschloss, ihr Leben zu riskieren, war das allein ihre Entscheidung, und wer konnte schon sagen, ob sie nicht recht hatte und Carling sie wirklich brauchen würde. »Gut. Aber ich gehe zuerst.«
    Rhoswen hielt sich hinter ihm, als er durch die Tür trat, hinein in Magie und Licht. Die Sohlen seiner Stiefel traten auf etwas Bewegliches, Nachgiebiges. Er sah nach unten. Es sah aus wie Sand. Und es fühlte sich an wie Sand.
    Wenn es watschelte, redete und quakte wie eine Ente, und wenn es nach Ente schmeckte, dann …
    Er machte noch einen Schritt und noch einen. Von dem dunklen Zimmer waren nur noch die groben Umrisse zu erkennen. Darüber lag eine hellere, heißere Realität. Er hob den Blick und blinzelte in einen blassblauen, wolkenlosen Himmel, an dem eine sengende, gelbweiße Sonne stand.
    »Wächter?« Wieder rief Rhoswen nach ihm. Diesmal klang sie panisch. »Rune! Du verblasst! «
    Er konnte sie gerade noch erkennen. Sie war eine blasse, geisterhafte Skizze ohne Substanz, ebenso wie der Rest des Zimmers. Er rief zurück: »Ich bin hier! Kannst du mich hören?«
    »Kaum«, schrie sie. Sie klang weit entfernt. »Du verschwindest direkt vor meinen Augen. Was ist los?«
    »Ich weiß es nicht«, schrie er zurück. »Ich werde mich umschauen und sehen, was ich herausfinden kann. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird.«
    »Es wäre mir sehr viel lieber, wenn du das nicht tätest« rief sie. »Ich würde es vorziehen, wenn du jetzt zurückkämst, bitte.«
    Doch das Mysterium, das sich überall um ihn herum erstreckte, war zu unwiderstehlich. Vor ihm lagen eine Wüste, grüne Vegetation und das blendende Glitzern von Sonnenlicht auf weit entferntem Wasser. Hinter ihm befanden sich Rhoswen, der Türrahmen und die Insel.
    Verteufelt noch eins, das fühlte sich an wie der Übergang in ein Anderland. Übergänge waren Dimensionspassagen, die zwischen der Erde und den Anderländern lagen. Sie waren entstanden, als auch die Erde entstanden war und Zeit und Raum Falten geworfen hatten. Übergangspassagen fügten sich in physische Verschiebungen der Landschaft ein – wie die Passage zu dieser Insel, die in einer Spalte am Meeresgrund lag. Nie zuvor hatte er von einem Übergang in einem künstlich erbauten Gebilde wie dem Schlafzimmer im ersten Stock eines Hauses gehört.
    Doch zugleich war es irgendwie

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