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Der Kuss des Greifen (German Edition)

Der Kuss des Greifen (German Edition)

Titel: Der Kuss des Greifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
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»Erinnerst du dich, es irgendwo gesehen zu haben?«
    Sie sah ihn finster an. »Natürlich erinnere ich mich. Ich habe gesehen, wie du damit den Bindfaden durchtrennt hast. Warum fragst du?«
    »Wir hatten einen ereignisreichen Nachmittag«, sagte er.
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
    »Ich habe keine Antwort«, erklärte er, während er die Armlehnen ihres Stuhls umfasste. »Ich habe selbst mit zu vielen Fragen zu kämpfen. Erinnerst du dich daran, in Trance gefallen zu sein?«
    »Richtig«, sagte sie halblaut. »Natürlich, das bin ich.« Sie verstummte und sah ihn prüfend an. Sie dachte an die Erinnerung zurück, in die sie in ihrer Trance eingetaucht war. Weiter und immer weiter war sie in der Zeit zurückgegangen, bis zu einem der schmerzhaftesten und traumatischsten Punkte in ihrem jungen Leben. Man hatte dafür gesorgt, dass sie unberührt und jungfräulich blieb, hatte sie aufgespart und ausgebildet, um sie schließlich zu einem strategisch günstigen Zeitpunkt einer wichtigen Persönlichkeit als Geschenk darzubieten.
    Dann war ein gewaltiger, dunkler und furchteinflößender Gott auf die Erde hinabgestiegen und hatte Ineb Hedj mit seinen weißen Mauern und den Menschen, die dort lebten, neugierig betrachtet. Am Ende war ihm die Stadt mit ihren strenggläubigen Priestern und ihrer Religion gleichgültig gewesen, und auch an Khepri, die man ihm als Geschenk anbot, hatte er kein Interesse gehabt. Er hatte die Stadt verlassen, und sie war dafür bestraft worden.
    Die vielen dazwischenliegenden Jahrhunderte hatten die Erinnerung nicht trüben können. Kristallklar erinnerte sie sich an das Pfeifen der Peitschenschnur, die durch die Luft schnellte und die unerträglichsten Schmerzen über sie brachte, bis ihre Welt nur noch aus Schmerz bestand – und aus ihren Schreien, für die ihr der Atem fehlte.
    Und in diese Welt voller Schmerzen war ein riesiges, goldenes Monster geplatzt. Es hatte unter Qualen gebrüllt, als würde es selbst ausgepeitscht, und Tod und Erlösung mit sich gebracht.
    Die Welt bebte. Carlings Mund öffnete sich, und sie versuchte, Worte zu bilden.
    »Mein Gott, du zitterst ja«, sagte Rune. »Sprich mit mir.«
    »Ich versuche es«, brachte sie zwischen den Zähnen hervor. Sie packte seine starken, gebräunten Handgelenke, denn er schien das Einzige zu sein, das nicht schwankte. Ihre Blicke trafen sich. »D-du bist also wieder in die Vergangenheit gereist.«
    Er drehte die Handflächen nach oben und umfasste ihre Handgelenke ebenfalls. »Ja. Kannst du mir sagen, was du erlebt hast? Es gab noch einen anderen Wyr, zumindest bis kurz vor meiner Ankunft. Weißt du, wer das war?«
    Der andere Wyr war ausgerechnet Tiago gewesen, der nie wieder an jene Ereignisse zurückgedacht hatte, weil der ganze Vorfall für ihn unwichtig gewesen war. Er hatte nie erfahren, welche Konsequenzen seine Gleichgültigkeit und seine Abreise für sie gehabt hatten.
    Sie schüttelte den Kopf. Lange Zeit hatte sie Wut auf Tiago empfunden, aber jetzt meinte sie es ernst, als sie sagte: »Es spielt keine Rolle. Er war nur ein neugieriger Wyr, der sich kurz umgesehen hat und dann weitergeflogen ist. Natürlich wollten die Priester, dass er bleibt, deshalb boten sie ihm mich an, aber er hatte kein Interesse.«
    Etwas Unberechenbares und Messerscharfes durchstreifte seine Löwenaugen. »Er ist also nicht zurückgekehrt?«
    »Nein«, sagte sie. »Jedenfalls nicht, solange ich in der Stadt gelebt habe.«
    »Okay.« Rune schien sich nur wenig zu entspannen. »Kam dir … das, was geschehen ist … genauso real vor wie beim ersten Mal, als ich aufgetaucht bin?«
    Wieder geriet die Erde ins Wanken. Sie nickte.
    Seine Hände schlossen sich fester um ihre Handgelenke, als er flüsterte: »Mir ebenfalls. Carling, ich muss mir deinen Rücken ansehen.«
    Sie starrte ihn an. »Warum?«
    Eine Emotion tobte durch die schwere Nachmittagsluft, Anspannung legte sich auf seine makellosen Züge. »Ich muss mir deine Narben ansehen. Es ist wichtig.«
    Mit einem verunsicherten Schulterzucken beugte sie sich vor und senkte den Kopf. Sie hielt den Kaftan über ihren Brüsten fest und ließ zu, dass er den weiten Baumwollstoff an ihrem Hals anhob. Mit federleichten Berührungen schob er ihre Haare zur Seite. Er behandelte sie so behutsam, als bestünde sie aus gesponnenem Glas, und kniete mit seinem großer Körper so dicht vor ihr, dass sie es sich gönnte, sich ein paar Zentimeter weiter vorzubeugen, um die Wange an seine breite

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