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Der Kuss des Greifen (German Edition)

Der Kuss des Greifen (German Edition)

Titel: Der Kuss des Greifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
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aber nicht viel, vielleicht fünf oder sechs Jahre. Ihre aufkeimende Schönheit hatte man sorgfältig betont, die langgezogenen Augen waren mit Kajal und grünem Malachit umrandet und ihr wohlgeformter Mund mit rotem Ocker angemalt. Die Schminke lief in Streifen über ihr tränenüberströmtes Gesicht, die rote Farbe war verschmiert. Unter den Ruinen des extravaganten Make-ups war die sonst honigfarbene Wärme ihrer Haut bleich vor Entsetzen.
    Sein Magen rebellierte. Er sagte sich, dass dies eine viel primitivere Zeit war, in der Mädchen oft schon mit zwölf verheiratet wurden, aber es half nichts. Für ihn sah sie aus wie das Opfer eines Kinderpornos. Ein paar sengend heiße Augenblicke lang entglitt ihm sein Verstand. Er wusste nicht, was er getan hätte, wenn er im Zimmer den Geruch von Sex wahrgenommen hätte.
    Sie war in großer Panik. Zunächst zögerte er, dann tat er das Einzige, was ihm einfiel. Er legte sich neben ihr auf den Bauch, den Kopf auf den Boden gebettet und das Gesicht zu ihr gewandt, um auf gleicher Höhe mit ihr zu sein. Dann begann er mit leisen, beruhigenden Worten auf sie einzureden.
    »Khepri, ich heiße Rune. Wir sind uns vor einigen Jahren begegnet. Erinnerst du dich an mich? Ich erinnere mich sehr gut an dich. Ich flog durch die Luft und sah, wie du zu mir aufblicktest, und da bin ich gelandet, um mich mit dir zu unterhalten. Du hast gearbeitet, hast auf dem Feld Getreide geerntet.«
    Ließ die blinde Angst in ihrem jungen Gesicht ein klein wenig nach, oder bildete er sich das nur ein? Mit zitternden Lippen rang sie darum, ein Wort zu bilden, und flüsterte: »A-Atum.«
    Runes Augen wurden feucht. »Ja«, murmelte er, so sanft er konnte. »Du hast mich für Atum gehalten, und ich sagte dir, dass ich das nicht bin. Erinnerst du dich daran?«
    Mit strahlendem Blick fokussierte sie ihn und nickte ruckartig.
    Schemenhaft nahm er wahr, dass Leute ins Zimmer gerannt kamen. Das wilde Tier in ihm war noch immer wach und verfolgte ihre Bewegungen mit kühler Präzision. Wären sie ihnen auch nur einen Zentimeter zu nahe gekommen, es wäre ihr Tod gewesen. Doch sie blieben am Rande stehen und warfen sich, nachdem sie sich etwas zugerufen hatten, auf den Boden.
    Das war nur angemessen. Für sie war er schließlich ein Gott, und diesmal versuchte er nicht, es zu leugnen.
    Er lächelte Khepri an. »Hab bitte keine Angst vor mir, Darling. Der Mann, der dir wehgetan hat, kann dir nichts mehr tun.«
    Sie hob den Kopf. Ihr Blick wanderte zu der zerfetzten Leiche, die zu einem Haufen zusammengesunken vor der Wand lag. Er hob die Hand vor ihr Gesicht, um sie vor dem Anblick zu schützen. Dabei streifte er beinahe ihre Wange. Khepri flüsterte: »Ist er tot?«
    Sie war kein modernes, behütetes Kind. Er wusste, dass sie den Tod schon zu Gesicht bekommen hatte, deshalb sagte er: »Ja. Er hat dich verletzt. Das hat mich sehr wütend gemacht, und ich habe ihn getötet.«
    Tief und zitternd holte sie Luft und ließ sie wieder entweichen. Wildheit flackerte in ihren Augen auf. Für einen Augenblick sah sie so wild und gefährlich aus wie ein Tigerjunges. »Gut.«
    Wieder verliebte er sich Hals über Kopf in das Kind. »Kann ich dir jetzt helfen?«
    Der Funken Wildheit erlosch. Als sie erneut nickte, zitterten ihre Lippen und in ihren Augen schwammen Tränen.
    Beinahe hätte das wilde Tier in ihm erneut die Kontrolle übernommen. Er erhob sich auf Hände und Knie und nahm sie vorsichtig auf den Arm, wobei er darauf achtete, die Wunden auf ihrem Rücken nicht zu berühren. Er trug sie zur Bettstatt hinüber und legte sie bäuchlings darauf ab. Dann sah er sich nach den Menschen um, die noch immer vor ihm auf dem Boden lagen. Es waren vier, eine Frau, zwei Männer mit Speeren und noch ein älterer Mann. Nach der Verzierung seiner Kleidung zu urteilen, war er der Mächtigste unter den Anwesenden.
    Rune widerstand dem Drang, ihn zu treten. »Steht auf«, sagte er.
    Die Menschen spähten zu ihm empor, erkannten, dass er zu ihnen sprach, und richteten sich vorsichtig auf. Auf Händen und Knien verharrten sie und sahen mit verstohlenen Blicken abwechselnd den leblosen Körper und einander an.
    Rune sagte zu dem älteren Mann: »Ich will heißes Wasser, Medikamente und Verbände, außerdem etwas Sauberes zum Anziehen für sie. Beeil dich.«
    »Ja, mein Herr.« Der Mann zischte der Frau etwas zu, woraufhin die rückwärts das Zimmer verließ. Im nächsten Augenblick hörte Rune ihre eiligen Schritte auf den Stufen.
    Dann

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