Der Kuss Des Kjer
Fieber zu kämpfen, solange er leben wollte ... Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen und beinah ohne ihr Zutun stahlen sich die Finger ihrer anderen Hand zu seiner Stirn. Hastig riss sie sie zurück. Nein! Ich will es nicht wissen! Ich muss wissen ... Kurz nur ballte sie die Fäuste, dann schlug sie die Decken zurück, packte den Schwamm in der Wasserschüssel mit beiden Händen, wrang ihn energisch aus und machte sich wie schon unzählige Male zuvor daran, Mordan mit kaltem Wasser zu waschen, in dem verzweifelten Versuch, sein Fieber zu brechen - oder zumindest ein wenig zu senken. Mit einem Ächzen zuckte er zusammen, als die feuchte Kühle seine Stirn berührte. Lijanas sog erneut die Lippe zwischen die Zähne.
Die Haut auf Brust und Hals war gerötet, während sein Gesicht die fahle Farbe von Wachs angenommen hatte. Die dunkelblaue Seide, mit der sie sein verletztes linkes Auge abgedeckt hatte, war ein höhnischer Farbtupfer. Sie wusch sein Gesicht, dann zog sie vorsichtig den Leinenstreifen wieder zurecht, der die zu einem weichen Polster zusammengefaltete Seide an ihrem Platz hielt. Sie hatte die Lederklappe eigentlich nur abgenommen, um es ihm ein wenig bequemer zu machen und ihm besser das Gesicht mit Wasser benetzen zu können. Doch dann hatte sie entdeckt, dass sich darunter tatsächlich nicht nur eine leere Höhle verbarg. Das Lid wies eine tiefe Narbe auf, die von einem Schlag mit einem scharfen Stock oder einer dünnen Peitsche stammen mochte, der so tief gegangen war, dass er die feine Haut durchschnitten und das Auge darunter verletzt hatte. Es musste schon mehrere Winter zurückliegen, doch offensichtlich hatte man damals nur das Lid behandelt und das Auge selbst sträflich vernachlässigt. Der Augapfel war entzündet, das Weiß schauerlich rot und die schwarze Mitte so groß, dass das dunkle Blaugrau seines Auges nicht mehr als ein schmaler Ring war. Es musste ihn die ganze Zeit über schmerzen.
Als sie sein Lid zum ersten Mal behutsam angehoben hatte, hatte er sich mit einem fürchterlichen Schrei herumgeworfen, fort von ihr - fort von dem schwachen Schein des Feuers, das neben ihr brannte. Es hatte einige Momente gedauert, bis sie begriffen hatte, dass ihm offenbar das Licht solche Schmerzen bereitete. Von da an hatte sie dafür gesorgt, dass sein Gesicht im Halbdunkel lag, wann immer sie ihm die lindernde und heilende Tinktur zwischen die Lider träufelte, die sie aus einigen Kräutern, die Brachan ihr aus den Vorräten des Kriegsheilers besorgt hatte, zusammengestellt hatte. - Und vielleicht - nur vielleicht - würde er irgendwann wieder mehr als schwaches Dämmerlicht ohne Schmerzen ertragen können, wenn sein Auge richtig behandelt wurde.
Sie schob ein weiteres Mal die Ärmel der viel zu weiten Robe in die Höhe und wrang den Schwamm erneut aus. Brachan hatte ihr das Kleidungsstück aus einer der Truhen gegeben. Natürlich war es ihr um Spannen zu groß, und trotzdem sie die mit kostbarem Pelz besetzten Ärmel mehrmals umgeschlagen hatte, rutschten sie ihr immer wieder über die Hände und von den Schultern.
Doch die feine Seide fühlte sich angenehm kühl und weich auf ihrem geschundenen Rücken an. Behutsam ließ sie den Schwamm über seinen Hals und die Brust gleiten.
Die Wassertropfen glänzten schwach im Licht der Feuerbecken, die das Zelt erhellten.
Dazwischen schimmerte ein schmaler Steinring, den er an einem Lederband um den Hals trug; ein zierliches Schmuckstück aus grünem Edelstein und Gold, das er in Cavallin noch nicht getragen hatte und dessen Anblick ihr Herz schwer werden ließ.
Bedeutete er doch, dass es irgendwo eine Frau gab, der ihr Kjer etwas so Wunderschönes schenken wollte. Mein Kjer! Ich muss aufhören, ihn so Zu nennen. Er ist nicht >Mein Kjer<. Er ist ihr erster Heerführer. Er ist der Blutwolf. - Habe ich ernsthaft geglaubt, es würde tatsächlich keine Frau in seinem Leben geben - mal abgesehen von dieser dunkelblonden Hure? Er ist ein gut aussehender Mann, trotz der Lederklappe über dem Auge. - Was soll das alles? Ich liebe Ahmeer! Nicht ihn! Er ist nur ... nur ... ein Freund? - Hat mich der Wahn gepackt? Er ist ein Kjer! Ein Feind!
Sie sind Tiere! - Und warum habe ich dann Angst, dass er sterben könnte? - Verdammter Mistkerl! Warum musstest du nach Anschara kommen und mich entführen? Das alles ist deine Schuld, Kjer! Ihre Finger ballten sich um den Schwamm. Wasser rann über seinen Bauch, die Flanken, versickerte in den Fellen. Er stöhnte
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