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Der Kuss des Meeres

Der Kuss des Meeres

Titel: Der Kuss des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Banks
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durchgezogene gelbe Linie auf der Straße klar und deutlich sehen, an der ich entlanggehe. Als ich höre, dass er mir folgt, reiße ich mir die High Heels von den Füßen und renne los. Vor zwei Monaten hätte diese Art von Misshandlung meiner nackten Sohlen noch dazu geführt, dass sie bluten und ich mir Weiß-der-Himmel-was eintrete. Aber dank meiner neuen dicken Haut fühlt sich Barfußlaufen an, als würde ich den letzten Schrei von Nike tragen.
    Galen ist aber anscheinend ein fliegender Fisch– seine Hand legt sich um meinen Arm und bremst meinen traurigen Fluchtversuch. Er wirbelt mich herum. Dann zieht er mich an sich und hebt mit der Kuppe seines Daumens mein Kinn an. Als ich zurückzucke, packt er fester zu und zwingt mich, ihn anzusehen. Die alte Emma hätte in den nächsten zehn Minuten einen dicken blauen Fleck gehabt. Die neue ist einfach nur sauer.
    » Lass mich los!«, kreische ich und stemme mich gegen seine Brust. Irgendwie bringt mich das nur näher an ihn heran.
    » Emma«, knurrt er, als ich ihm auf den Fuß trete. » Was hättest du getan?«
    Okay, das kommt unerwartet. Ich höre auf, um mich zu schlagen. » Was?«
    » Sag mir, was du getan hättest, wenn du an meiner Stelle gewesen wärst. Sag mir, was du tun würdest, wenn das Überleben der Menschheit in deiner Hand läge. Ich rede hier von Babys und Großmüttern und deinen ganzen menschlichen Verwandten«, sagt er atemlos. Ich begreife, dass ich das noch nie zuvor so gesehen habe: Galen schnappt nach Luft. » Sag mir, ob du sie im Stich lassen würdest, wenn du dafür das Einzige haben könntest, was du dir in deinem ganzen Leben gewünscht hast? Sag’s mir, Emma, was würdest du tun?«
    » Ich… ich… verstehe nicht…«
    Er schüttelt mich mit eisernem Griff. » Doch, das tust du, Emma. Du weißt genau, was ich meine. Antworte mir. Denk an das, was du dir am meisten wünschst. Ohne das du vielleicht nicht mehr leben kannst.«
    Nun, das versteht sich von selbst. Es ist Galen, ohne den Schatten eines Zweifels. » Okay.«
    » Jetzt stell dir vor, wie es sich anfühlt, wenn du gebeten wirst, das eine, das du so sehr liebst, gegen den Fortbestand der menschlichen Rasse einzutauschen. Gegen Leute, die du nicht einmal kennst. Leute, die noch nicht einmal geboren sind. Würdest du es tun? Könntest du es tun? Selbst wenn fast niemand jemals erfahren würde, was für ein gewaltiges Opfer du gebracht hast, und fast niemand jemals zu schätzen wüsste, was du aufgegeben hast?«
    Sanft schüttele ich seinen Griff ab. Er lässt mich einen Schritt zurücktreten. Sein eindringlicher Blick verursacht mir Gänsehaut. » Es wäre selbstsüchtig, es nicht einzutauschen«, sage ich leise. » Da gibt es keine Wahl.«
    » Genau. Ich hatte keine Wahl.«
    » Willst du damit sagen… Was willst du damit sagen?« Spricht er… könnte er… von mir sprechen?
    Er fährt sich mit der Hand durchs Haar. Ich habe ihn noch nie zuvor so ergriffen erlebt. Er ist immer so beherrscht, so selbstsicher. » Ich will damit sagen, dass du das bist, was ich will, Emma. Ich will damit sagen, dass ich dich liebe.«
    Er tritt vor und legt mir eine Hand an die Wange. Seine Fingerspitzen gleiten zu meinem Mund hinunter und hinterlassen eine brennende Spur aus Feuer. » Was denkst du, wie es sich anfühlen würde, dich mit Grom zu sehen?«, flüstert er. » Als hätte mir jemand das Herz aus dem Leib gerissen und würde es durch Rachels Fleischwolf drehen. So würde ich mich fühlen. Wahrscheinlich schlimmer. Wahrscheinlich würde es mich umbringen. Emma, bitte, weine nicht.«
    Ich ringe die Hände. » Ich soll nicht weinen? Ist das dein Ernst? Warum bist du hierhergekommen, Galen? Hast du gedacht, dass ich mich besser fühle, wenn ich weiß, dass du mich liebst, aber dass es trotzdem nicht funktioniert? Dass ich mich trotzdem mit Grom verbinden muss? Für das große Ganze? Sag mir nicht, ich soll nicht weinen, Galen! Ich… k… k… kann nicht a… a… anders…« Ich ertrinke in meinen Tränen. Galen sieht mich mit hängenden Schultern an, hilflos wie eine gefangene Krabbe. Ich bin kurz davor zu hyperventilieren und ziemlich bald werde ich einen Schluckauf bekommen. Das ist zu viel.
    Seine Miene ist so verbissen, es sieht aus, als hätte er körperliche Schmerzen. » Emma«, haucht er. » Emma, bedeutet das, dass du genauso empfindest? Liegt dir etwas an mir?«
    Ich lache, aber wegen des Schluckaufs klingt es schärfer als beabsichtigt. » Es spielt doch gar keine Rolle, wie ich

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