Der Kuss des Meeres
in meinem Leben an seine Brust. Diesmal habe ich gar keine andere Wahl, als mich an ihn zu klammern. Ich höre, wie die Tür geöffnet und geschlossen wird. Das Inferno seiner Berührung ist das Einzige, dessen ich mir gewiss bin. Alles andere– wie oben, unten, links und rechts– scheint miteinander zu verschmelzen. » Ich… ich werde vielleicht ohnmächtig. Tut mir leid.«
Er drückt mich. » Ich leg dich auf die Couch. Ist das okay?«
Ich nicke, ja, das ist es, aber ich will seinen Hals nicht loslassen.
» Sag mir, was du brauchst. Du machst mir Angst.«
Ich vergrabe das Gesicht an seiner Brust. » Ich kann nichts mehr sehen. Ich will mich nicht hinlegen, weil … weil ich dann nicht mehr weiß, wo ich bin.« Die Welt hat bereits aufgehört, sich zu drehen. Ich beschließe, dass seine Arme im Moment der sicherste Ort für mich sind.
Bis ich plötzlich falle. Ich schreie.
» Scht. Es ist alles gut, Emma. Ich habe mich nur hingesetzt. Du bist auf meinem Schoß.« Er streicht mir durchs Haar und wiegt mich sanft hin und her. » Ist es dein Kopf? Sag mir, was ich tun kann.«
Als ich in seine Brust nicke, durchtränke ich sein Hemd mit Tränen. » Es muss mein Kopf sein. So was ist mir noch nie passiert.«
» Nicht weinen, Emma. Bitte nicht.«
Er versteift sich, als ich anfange zu kichern. Zur Strafe pocht mein Kopf. » Ich wette, du bereust es, dass du mich hierhergebracht hast«, bemerke ich.
Er entspannt sich. » So würde ich das nicht sagen.«
Seine Worte sind Balsam. Im Schutz seiner starken Arme entspannt sich mein Körper wie von selbst. Die Panik fließt von mir ab wie Wasser aus einer zersplitterten Vase. Meine Augen weigern sich, sich zu öffnen. » Ich bin irgendwie müde.«
» Ist schlafen wirklich gut für dich? Nach allem, was ich über Kopfverletzungen gelesen habe, soll man nicht einschlafen.« Noch während er das sagt, ziehe ich die Beine enger an mich, schmiege meine Schulter in seine Armbeuge und rutsche höher auf seinem Schoß hinauf. In dieser neuen Position hält er mich sicher und fest in den Armen. Die Hitze brodelt zwischen uns und umhüllt mich wie ein Wintermantel. Sich an einen gemeißelten Granitblock zu kuscheln, dürfte eigentlich gar nicht so kuschelig sein.
» Ich denke, das gilt nur unmittelbar nach dem Unfall. Aber jetzt ist es okay, wenn ich schlafe, da bin ich mir ziemlich sicher. Ich meine, letzte Nacht habe ich ja auch geschlafen, oder? Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob ich jetzt überhaupt wach bleiben könnte. «
» Aber… du wirst nicht ohnmächtig. Du schläfst nur? Das ist ein Unterschied.«
Ich gähne. » Nur schlafen. Vielleicht brauche ich einfach ein Nickerchen.«
Er nickt in mein Haar. » Du hast heute nach der Schule wirklich müde ausgesehen.«
» Du kannst mich jetzt auf die Couch legen.«
Er bewegt sich nicht, wiegt mich nur immer weiter. Wach bleiben ist da ungefähr so einfach, wie an einem rutschigen Abhang Halt zu finden.
» Galen?«
» Hm?«
» Du kannst mich jetzt hinlegen.«
» Ich bin noch nicht so weit.« Er verstärkt seinen Griff.
» Du brauchst mich nicht…«
» Emma? Kannst du mich hören?«
» Ähm, ja. Hören kann ich gut. Ich kann nur nichts sehen…«
» Da bin ich wirklich erleichtert. Für einen Moment habe ich schon gedacht, dass du mich vielleicht nicht gehört hast, als ich sagte, ich sei noch nicht so weit.«
» Trottel.«
Er lacht leise in mein Haar. » Schlaf jetzt.«
Und das ist das Letzte, woran ich mich erinnere.
Die schlechte Nachricht ist, dass er mich nicht länger in seinen Armen hält. Die gute Nachricht ist, dass ich wieder sehen kann. Ich sehe mich im Raum um, versuche aber noch nicht, mich aufzurichten. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass ich immer noch bei Galen zu Hause bin. Alles in diesem Zimmer schreit nach Luxus. Kunst, der man schon ansieht, dass sie teuer ist, weil sie so hässlich ist. Seltsam geformte Möbel, die mehr fürs Auge als zum Benutzen sind. Ein riesiger Flachbildfernseher, der an der Wand über dem Kamin klotzt. Die Kaschmirdecke, die über mir ausgebreitet ist – so weich, dass sie nicht einmal beim schlimmsten Sonnenbrand kratzen würde. Und yep, man sieht auf den Strand. Die ganze Rückwand des Hauses ist komplett aus Glas. Keine Dünen, die einem die Sicht versperren. Selbst im Liegen sehe ich, wie die Wellen heranrollen und sich in der Ferne ein Sturm zusammenbraut.
Mich aufzurichten, ist ein böser Fehler, und das aus zwei Gründen. Erstens dröhnt
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