Der Kuss des Meeres
größer als ein Autoreifen ist. Sie streckt mir ihre im Ofenhandschuh steckende Hand hin und kichert, als ich ihre Hand tatsächlich ergreife. Galens Mutter ist die italienischste Person, die mir je begegnet ist. Große braune Augen, schwarzes gelocktes Haar, das sich wie ein Berg auf ihrem Kopf auftürmt, und schockierend roter Lippenstift, der zu den Zehn-Zentimeter-Absätzen passt, die sie tragen muss, um an den oberen Rand dieses Topfes heranzukommen.
» Wie schön, dich kennenzulernen, Emma«, sagt sie. » Jetzt verstehe ich, warum Galen nicht aufhört, von dir zu sprechen.« Ihr jugendliches Lächeln überstrahlt die Fältchen, die sich um ihren Mund herum kräuseln. Es wirkt so aufrichtig und warm, dass ich ihr tatsächlich glaube, wie sehr sie sich freut, mich kennenzulernen. Aber sagen das nicht alle Moms, wenn sie der Freundin ihres Sohnes vorgestellt werden? Du bist nicht seine Freundin, Dummkopf. Oder denkt sie etwa auch, dass wir miteinander gehen?
» Vielen Dank«, sage ich ganz allgemein. » Er hat Ihnen bestimmt eine Million Mal erzählt, wie ungeschickt ich bin.« Wie sollte ich ihre Bemerkung sonst verstehen?
» Eine Million und ein Mal, um genau zu sein. Ich wünschte, du würdest zur Abwechslung mal was anderes erzählen«, sagt Rayna gedehnt, ohne aufzublicken.
Jetzt hat Rayna meine Nerven endgültig überstrapaziert. » Ich könnte dir beibringen, wie man sich die Nägel lackiert, ohne über den Rand zu malen«, schieße ich zurück. Bei dem Blick, den sie mir zuwirft, könnte Milch sauer werden.
Toraf legt ihr die Hände auf die Schultern und küsst sie auf den Kopf. » Ich finde, du machst deine Sache großartig, meine Prinzessin.«
Sie windet sich aus seiner Umarmung heraus und steckt den Nagellackpinsel zurück in sein Fläschchen. » Warum lackierst du dir denn deine eigenen Zehen nicht, wenn du so gut darin bist? Wahrscheinlich sind sie ganz kaputt von deinen ständigen Zusammenstößen. Stimmt’s?«
Ja? Und? Ich will sie gerade über ein paar Dinge aufklären – zum Beispiel, dass es den Effekt von hübschen Zehen ruiniert, wenn man mit einem Rock im Schneidersitz auf einem Hocker sitzt –, als Galens Mom mir sanft eine Hand auf den Arm legt und sich räuspert. » Emma, ich bin ja so froh, dass du dich besser fühlst«, sagt sie. » Ich wette, mit einem Abendessen im Bauch bist du viel schneller wieder auf den Beinen, meinst du nicht auch?«
Ich nicke.
» Du hast Glück, meine Liebe. Essen ist fertig. Galen, würdest du bitte die Pfanne aus dem Ofen holen? Und, Rayna, du hast den Tisch nur für vier gedeckt! Toraf, schnapp dir noch ein Gedeck, ja? Nein, anderer Schrank. Danke.« Während sie Befehle erteilt, führt sie mich zum Tisch und zieht einen Stuhl heran. Nachdem sie ihn mir in die Kniekehle gerammt hat, dass ich auf das Sitzkissen falle, flitzt sie in ihren hochhackigen Schuhen zurück an den Herd.
Toraf stellt das Gedeck so schnell vor mich hin, dass es wie ein kreiselnder Penny wackelt. » Hoppla, tut mir leid«, murmelt er. Ich schaue lächelnd zu ihm auf. Er tippt mit der Hand auf den Teller, um das Vibrieren zu stoppen. Dann wirft er eine Gabel und ein Messer obendrauf. Als er mein Trinkglas hinstellen will, hält Galen ihn am Unterarm fest und reißt es ihm aus der Hand.
» Das ist Glas, du Idiot. Schon mal gehört?«, fragt Galen. Er stellt es hin, als sei es ein rohes Ei, dann zwinkert er mir zu. Ich bin froh, dass er die Kontaktlinsen herausgenommen hat– er hat die hübschesten violetten Augen von allen hier. » Tut mir leid, Emma. Wir haben nicht oft Besuch.«
» Das stimmt«, bestätigt Toraf und setzt sich neben Rayna.
Als alle Platz genommen haben, benutzt Galen einen Topflappen, um den Deckel von der riesigen, fleckigen Pfanne in der Mitte des Tisches zu nehmen. Und ich muss mich fast übergeben. Fisch. Krabben. Und… sind das etwa Tintenfischarme? Bevor ich mir eine höfliche Ausrede einfallen lassen kann– ich würde eher meinen eigenen kleinen Finger essen als Meeresfrüchte–, klatscht Galen das größte Stück Fisch auf meinen Teller. Dann löffelt er eine Mischung aus Krabbenfleisch und Muscheln obendrauf. Als mir der Dampf in die Nase zieht, schwinden meine Chancen, höflich zu bleiben. Ich habe nur eine Chance: es so aussehen lassen, als hätte ich Schluckauf, statt zu würgen. Was habe ich vorhin gerochen, dass mir fast das Wasser im Mund zusammengelaufen ist? Das hier kann es nicht gewesen sein.
Ich spieße das Filet auf die Gabel und
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