Der Kuss des Meeres
liegt und sie beinahe berührt.
Zu Galens Befriedigung– und Marks eigener Sicherheit– zieht Mark den Stein des Anstoßes zurück, während er Emma ein breites Lächeln schenkt und seine auffallend weißen Zähne zeigt. » Du und Forza, hm? Hast du das mit seinen Groupies abgeklärt?«
Sie lacht und drückt Galens Arm sanft weg. Aus dem Augenwinkel sieht er, wie ihr die Röte ins Gesicht schießt und sich wie vergossene Farbe über ihre Haut ergießt. Sie hat sich noch nicht daran gewöhnt, mit ihm zu gehen. Bis vor zehn Minuten ging es ihm ähnlich. Aber seit Mark sie beäugt wie ein leckeres Schalentier, fühlt es sich ganz natürlich an, Emmas Freund zu spielen.
Es läutet, was Emma eine Antwort und Mark eine vierstellige Krankenhausrechnung erspart. Emma wirft Galen einen vernichtenden Blick zu, den er mit einem– wie er hofft– zauberhaften Grinsen abwehrt. Er bemisst seinen Erfolg daran, dass ihr Gesicht noch etwas röter wird, stutzt jedoch, als er die dunklen Ringe unter ihren Augen bemerkt.
Sie hat gestern Nacht nicht geschlafen. Nicht dass er damit gerechnet hätte, dass sie es tun würde. Sie war auf dem Rückflug von Destin vor zwei Nächten sehr still. Er hat sie nicht zum Reden gedrängt, vor allem weil er nicht gewusst hätte, was er sagen soll. So viele Male wollte er ihr versichern, dass sie alles andere als eine Abartigkeit ist, aber irgendwie erscheint es falsch, das laut auszusprechen. Als würde er absichtlich gegen das Gesetz verstoßen. Aber wie könnte man etwas Abartiges in diesen köstlichen Lippen und diesen riesigen violetten Augen sehen?
Noch verrückter ist allerdings, dass die Tatsache, dass sie ein Halbblut sein könnte, in ihm eine Hoffnung entzündet hat, die zu empfinden er kein Recht hat: Grom würde sich niemals mit einem Halbmenschen verbinden. Zumindest denkt Galen, dass er es nicht tun würde.
Er schaut zu Emma hinüber, deren seidige Augenlider nicht einmal flattern, während sie einnickt. Als er sich räuspert, zuckt sie zusammen. » Danke«, formt sie mit den Lippen und greift wieder nach ihrem Bleistift, um mit dem Radiergummi daran die Textzeilen in ihrem Lehrbuch nachzufahren, die sie gerade liest. Er antwortet mit einem Nicken. In diesem Zustand will er sie nicht zurücklassen, ängstlich und angespannt und fehl am Platz in ihrer eigenen schönen Haut.
Aber er muss zu Romul gehen. Romul wird ihm mehr über Halbmenschen erzählen können, darüber, warum Triton sie hasst. Galen hätte nie gedacht, dass er diese Frage einmal stellen würde; es war immer so einfach, genügend Gründe zu finden, die Menschen zu hassen. Trotzdem macht es ihm seine Handvoll menschlicher Freunde unmöglich, die ganze Art zu verachten. Und eines Tages wird er in dieser Sache vielleicht sogar das Gesetz auf seiner Seite brauchen.
Es läutet wieder und die Glocke reißt ihn aus seinen Gedanken und Emma aus einem weiteren Sekundenschlaf. Er schnappt sich ihren Rucksack und hält ihn auf, damit sie ihre Bücher und Unterlagen hineinstopfen kann. Bevor sie flüchten kann, ergreift er ihre Hand und fädelt seine Finger zwischen ihre, wie Rachel es ihm gezeigt hat. Er ist überrascht, als Emma sich an ihn lehnt und ihren Kopf an seinen Bizeps bettet. Vielleicht fällt es ihr doch leichter, mit ihm zu gehen, als er dachte.
Sie gähnt. » Lass uns den Rest des Tages blaumachen und bei dir zu Hause ein wenig schlafen.«
Er drückt ihre Hand. Den Rest des Tages mit ihr allein bei ihm zu Hause zu verbringen, ist das Beste und das Schlimmste, was er sich vorstellen kann. » Deine Mom wird mich umbringen und dir Hausarrest geben.«
» Ich habe gestern Nacht nicht geschlafen.«
» Das sehe ich.«
» Sehe ich so schlimm aus?«
» Du siehst so müde aus.«
Sie bleiben vor der Tür zu ihrem nächsten Kurs stehen. Er beugt sich vor, um ihr die Tür zu öffnen. » Galen.« Sie sieht zu ihm auf. » Bitte.«
Er seufzt. » Ich kann heute nicht blaumachen. Ich werde vielleicht morgen schwänzen.«
Die Neugier macht sie etwas munterer. » Warum?«
Er zieht sie zur Seite, als ein paar ihrer Klassenkameraden in den Raum trödeln. Die Glocke läutet die nächste Stunde ein. » Ich werde heute Abend mit den Archiven reden. Um zu sehen, was ich sonst noch über Halbblüter in Erfahrung bringen kann. Ich dachte, du würdest dich dann vielleicht besser fühlen wegen…« Er zuckt die Achseln, außerstande, die Halbwahrheit ganz auszusprechen. » Außerdem muss ich vor Freitag wieder zurück sein. Rachel
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