Der Kuss des Satyrs
morgen Abend zu ihr zurückkehren.
Sie hatte ihm ihr Wort gegeben, dass sie der Familie noch nichts von der Geburt ihres Sohnes erzählen würde. Obgleich er die Diener bereits so weit verhext hatte, dass sie annahmen, ihre Schwangerschaft habe die üblichen neun Monate gedauert, konnte er diese Magie nun nur noch gegenüber Menschen anwenden, die sie in der Welt außerhalb der Mauern ihres Anwesens trafen. Wenn er sie erst einmal verhext hatte, dann würden auch sie davon ausgehen, dass sie in der Hochzeitsnacht schwanger geworden war und ihr Baby die vollen neun Monate in ihrem Bauch getragen hatte.
Ein plötzlicher, schwacher Schrei hallte durchs Treppenhaus und machte jeglichen Versuch Janes, ihr Versprechen zu halten, zunichte.
Izabels Kinn schoss in die Höhe, ihr Gesichtsausdruck war angespannt wie der eines überraschten Rehs. Ein Weinen ertönte, und ihr Kopf wirbelte in die Richtung, aus der es gekommen war. Sie sprang auf, raffte die Röcke und eilte die Treppe hinauf.
Jane folgte ihr. Sie rang die Hände und beobachtete, wie Izabel eine Tür nach der anderen zu öffnen versuchte. Jane fügte sich schließlich ins Unvermeidliche und öffnete die Tür zu ihrem Schlafzimmer.
Izabel rauschte hinein und durch das Zimmer zu der Wiege, die in einer Ecke stand. Sie umklammerte das Gitter und betrachtete das Baby mit einem ehrfürchtigen Ausdruck im Gesicht.
»Deins?« Izabel seufzte. Sie las die Wahrheit in Janes Augen, die ihre Nichte nicht zu verbergen vermochte.
Jane bedeutete der Kinderfrau zu gehen, so dass sie sagen konnte, was sie sagen musste. »Erzähl es niemandem, Tante. Die Geburt muss ein Geheimnis bleiben.«
»Ich verstehe. Eine Frühgeburt.«
Jane mochte es nicht, solche Vermutungen zu bestätigen, aber um ihre neue Familie zu schützen und die Wünsche ihres Ehemanns zu respektieren, hielt sie die Lippen fest zusammengepresst.
»Ein Sohn?«, fragte Izabel hoffnungsvoll.
Jane nickte. »Vincent.«
Izabel schlug das kleine Tuch zurück. Tränen stiegen ihr in die Augen. »Er ist wunderschön.«
Aus irgendeinem Grund beunruhigten Jane Izabels Berührungen ihres Sohns. Jane sammelte die Decken um ihn herum ein und nahm ihn auf den Arm.
»Danke«, sagte sie und hielt ihn fest an sich gepresst.
Izabel schien sich langsam wieder unter Kontrolle zu haben. »Du musst ihn zur Villa bringen, damit wir seine Geburt gebührend feiern können.«
»Bald. Wenn ich mir sicher sein kann, dass die Welt nicht auf ihn herabschaut und ihn einen Bastard nennt.«
»So lange willst du warten? Dein Vater wird umkommen vor Neugierde, ihn zu sehen.«
Der Wunsch zu bestreiten, dass Signore Cova ihr Vater war, drängte sich auf Janes Lippen, aber sie hielt die Worte zurück. »Ich bezweifle, dass er mich oder mein Kind überhaupt sehen will. Er hat seine Meinung dazu ziemlich deutlich geäußert, als ich das letzte Mal zu Besuch war.«
»Du musst dich sofort mit ihm aussöhnen«, drängte Izabel. »Wenn du nicht vorsichtig bist, wird er dir noch den Umgang mit Emma verbieten.«
»Nein, Tante. Ich habe es Nick versprochen.«
»Kannst du ihn nicht umstimmen?«
»Vielleicht. Aber er ist im Moment nicht da.«
Ein listiger Ausdruck trat in Izabels Augen, aber er war verschwunden, bevor Jane ihn deuten konnte. »Wohin ist er gegangen?«
»Das kann ich nicht sagen«, sagte Jane ausweichend.
»Ich nehme an, es gibt an vielen Orten Frauen, deren Gunst man kaufen kann.«
Jane stockte der Atem. Die Anspielung traf sie hart. »Du weißt nicht, wovon du sprichst.«
»Männer wie er sind nie mit den Gunstbezeugungen nur einer Frau zufrieden. Um die Wahrheit zu sagen, ist er kürzlich zu mir gekommen, und wir haben darüber gesprochen, dass er mich zu einer passenderen Gelegenheit in meinem Schlafzimmer besucht.«
Jane machte einen Schritt zurück. Sie hielt ihr Kind so fest im Arm, dass es anfing, sich zu wehren. »Raus! Verlasse auf der Stelle mein Haus!«
Izabels Gesichtsausdruck wurde gemein.
»Signore Faunus!«, rief Jane.
Sie hörten seinen tänzelnden Schritt auf der Treppe, wo er immer zwei Stufen auf einmal nahm.
»Ich kenne den Weg zur Tür«, sagte Izabel. Mit einem letzten Blick auf das Kind in Janes Armen rauschte sie an Signore Faunus und seinem Teetablett vorbei, die Treppe hinunter und aus dem Kastell.
Jane stand an ihrem Fenster und sah zu, wie Izabels Mietsdroschke abfuhr. Da schoss etwas von hinter der Kutsche wie ein hellblauer Blitz in den Garten und erschreckte sie zutiefst. Ein Gesicht
Weitere Kostenlose Bücher