Der Kuss des Satyrs
zahlreiche Anforderungen an meine zukünftige Ehefrau.«
»Es würde mich schon interessieren, welcher Natur die sind«, schnauzte sie ihn an. »Ich verschaffe Euch keinen Titel, kein Land, keine Reichtümer. Ich bin vollkommen gewöhnlich.«
Sie hatte keine Vorstellung davon, wie falsch sie mit ihrer Einschätzung lag. »Ich verfüge bereits über genügend Titel, Land und Reichtümer, so dass ich sie nicht bei einer Frau suche. Ich erwarte nur eine intelligente, wohlerzogene junge Dame im heiratsfähigen Alter, die meine Kinder zur Welt bringen wird.«
»Bei diesen Anforderungen findet Ihr Hunderte von geeigneten Damen.«
In gespieltem Bedauern breitete er die Arme aus. »Die italienischen Gesetze erlauben es mir nicht, Hunderte zu heiraten. Ich habe Euch gewählt.«
»Aber nach allem, was Ihr wisst, könnte ich unkeusch sein.« Sie beugte sich verschwörerisch vor. »Oder eine Kandidatin fürs Irrenhaus.«
»Und, seid Ihr das?«, fragte er.
Sie lehnte sich zurück. »Das würde ich wohl kaum zugeben, nicht wahr?«
Er lächelte. Sie gefiel ihm. »Es ist nicht von Belang. Unser Ehevertrag erlaubt es mir, die Ehe aus einer Reihe von Gründen annullieren zu lassen, und die beiden, die Ihr angesprochen habt, fallen darunter. Kommt mit! Anders als Eure Tante will ich Euch nicht im Ungewissen lassen.« Er zog sie zum Tisch und setzte sie auf den Stuhl. Während er ihr über die Schulter schaute, fing er an, ihr jeden einzelnen Paragraphen des Vertrags zu erklären.
»Hier erwarte ich von Euch, den Namen Satyr als Euren Familiennamen anzunehmen, statt den Eures Vaters zu behalten. Das ist in Italien so üblich.« Der Wunsch, seine Ehefrau mit seinem Namen zu kennzeichnen, überraschte sie nicht, aber es war auch nichts Beunruhigendes dabei.
»Und hier steht, dass die Ehe aus einer Anzahl von Gründen annulliert werden kann.«
»Für nichtig erklärt, meint Ihr?«, unterbrach sie ihn. »Als hätte sie nie existiert?«
Er nickte, und sie fragte sich, wie ein Mann bloß auf die Idee kommen konnte, dass so etwas möglich war.
»Wie Ihr hier seht«, fuhr er fort und ging dabei einen Absatz nach dem anderen durch, »kann ich eine Annullierung verlangen, falls Ihr keine Jungfrau mehr sein solltet.«
Die Schamesröte stieg ihr ins Gesicht, und sie war froh, dass durch ihren gesenkten Kopf wenigstens ein Teil ihrer flammend roten Wangen verborgen blieb.
»Ebenso«, sprach er unbeirrt weiter, »kann ich eine Annullierung verlangen, wenn Ihr Euren ehelichen Pflichten nicht nachkommt, mir untreu werdet oder nicht in angemessener Zeit einen Erben zur Welt bringt.«
»Letzteres ist wohl kaum gerecht.«
»Aber notwendig. Und falls es zu einer Annullierung kommen sollte, werde ich selbstverständlich mit großzügigen Unterhaltszahlungen für Euch sorgen.«
Hoffnung stieg in ihr auf. Mit einem solchen Arrangement könnten Emma und sie frei sein und als unabhängige Frauen leben.
»Spreche ich zu geradeheraus?«
»Ganz im Gegenteil«, sagte sie. »Euer Mangel an Schönfärberei lässt mein Vertrauen Euch gegenüber wachsen.«
»Lässt er Euch genug vertrauen, dass Ihr meinen Antrag annehmt?«, murmelte er über ihr.
Jane starrte die Buchstaben an, die vor ihren Augen über das Papier tanzten. In Gedanken wog sie ab, welche Möglichkeiten ihr offenstanden.
Wenn sie ihn heiratete, hätte sie Zugang zu seinen Ländereien. Auf diesem alten Land wuchsen vielleicht Pflanzen wie der Goldlauch, die ihr und ihrer Schwester möglicherweise halfen, bevor es zu spät war. Das war definitiv ein Grund dafür, ihn zu heiraten.
Aber er würde sie berühren. Könnte sie verhindern, mit ihm zu verschmelzen? Er kam ihr nicht vor wie ein Mann, der vieles von dem, was sie wirklich ausmachte, übersehen würde. Ein Grund dagegen.
Und doch, er hatte zweifellos Geschäftsinteressen, die ihn oft von zu Hause fortführten. Vielleicht würde er so wenig Zeit in ihrer Gesellschaft verbringen, dass er niemals bemerken würde, dass seine Frau ein unnatürlicher Sonderling war. Ein Plus.
Und er war nicht Signore Nesta. Ein dickes Plus.
»Mögt Ihr Kinder?«, fragte Nicholas Satyr und riss sie damit aus ihren Gedanken. »Oder etwas genauer: Seid Ihr bereit, mir welche zu schenken?«
Sie stand auf und entfernte sich ein paar Schritte vom Schreibtisch und somit von ihm. Wenn sie sicher sein konnte, dass sie nicht ihren Makel erben würden, würde sie ihm liebend gern Kinder gebären. Sie würde sie mit der ganzen Zuneigung verwöhnen, die ihre
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