Der Kuss des Satyrs
Jungfräulichkeit aufzuheben, falls ihr Ehemann danach fragen sollte. Sie knäulte das Kleidungsstück zusammen und stopfte es in die hinterste Ecke einer Schublade.
Eine Zofe erschien, um ihr ein Bad einzulassen. Jane sagte ihr, sie wolle beim Baden nicht gestört werden, und schlüpfte hinter den Paravent.
Sie stellte fest, dass sie sich vorsichtig bewegen musste. Sie war wund. Die größten Schmerzen hatte sie selbstredend dort, wo ihr Mann sich mit ihr vereint hatte, aber ihr Körper schmerzte auch noch an anderen ungewöhnlichen Stellen, was sie auf die ungewohnte Betätigung der vergangenen Nacht zurückführte. Verlegen dachte sie, die Zofe könnte das vielleicht bemerken, und entließ sie deshalb, nachdem sie angekleidet war. Dann übte sie vor ihrem Spiegel das Laufen und versicherte sich, keine Grimasse zu ziehen oder ungeziemende Bewegungen zu machen. Es wäre nicht gut, wenn ihre Schwierigkeiten von irgendjemandem bemerkt wurden.
Jane war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, ihrem Ehemann zu begegnen. Wie verhielt man sich gegenüber einem Fremden, nachdem man ihn nackt gesehen hatte? Oder, was sie noch mehr bewegte, nachdem er
sie
so gesehen hatte? Würde sie die Erinnerung an das, was sich zwischen ihnen abgespielt hatte, in seinen Augen lesen können?
Sie wog die Kräuter ab, die sie jeden Morgen nehmen musste, um zu verhindern, dass der Samen ihres Mannes in ihr aufging. Sie verteilte sie in einem Glas Wasser, trank und verzog wegen des bitteren Geschmacks die Lippen.
Als der Hunger sie auf die Suche nach Frühstück trieb, verließ sie ihr Zimmer und ging nach unten. Sie steckte den Kopf durch einige Türen, die vom unteren Flur abgingen, und stellte fest, dass jedes Zimmer irgendeine andere Sammlung beherbergte.
Im großen Saal standen unzählige Flakons, Amphoren und Urnen. Zu diesen Ausstellungsstücken gesellten sich neuere Gegenstände, offenkundig von hohem Wert. Alle kündeten vom Winzerberuf ihres Ehemanns.
Ein anderer Raum beherbergte Alabasterbüsten, Scherben aus Ton und Glas, exquisite Muscheln und Geoden, wieder ein anderer einen lebensgroßen steinernen Sarkophag, der mit Szenen aus dem Jenseits geschmückt war, wie es sich die Etrusker vorgestellt hatten. Es gab klassische Büsten mit hochnäsigen Gesichtern, jahrhundertealte Freskofragmente und Goldflorine mit Liliendruck.
Es sah ganz danach aus, als wäre ihr Ehemann ein Sammler von Schätzen und Kuriositäten. Sie kam sich fast wie in einem Museum vor.
Jane gelangte in einen großen, runden Festsaal. Ein Dutzend Alkoven mit Fenstern verteilten sich regelmäßig über die Außenwand, gingen in eine Galerie über und trafen sich schließlich in der Mitte einer hohen Gewölbedecke. Abgeräumte Anrichten standen an einer Wand, und der Esstisch war nicht gedeckt. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen, war es fast Mittag. Normalerweise schlief sie nicht so lange. Wahrscheinlich hatte sie das Frühstück verpasst.
Aber sie hatte einen Bärenhunger. Wo war bloß das Personal?
Sie machte sich auf den Weg und öffnete eine Tür, die tatsächlich in die Küche führte. Drinnen eilten einige Dienstboten geschäftig umher. Jeder einzelne blieb abrupt stehen und hielt in der Arbeit inne, als sie eintrat.
»Buona mattina, Signora.«
Erschreckt fuhr sie herum. Ein männlicher Diener stand im Türbogen hinter ihr. Sie erkannte in ihm denjenigen, der dafür gesorgt hatte, dass ihr Gepäck nach oben gebracht worden war.
»Ich bin Signore Faunus, der Kammerdiener«, sagte er, während er sich knapp vor ihr verbeugte und in seiner tänzelnden Art an ihr vorbeiging. »Meine Pflichten umfassen die Aufsicht über die Dienstboten. Selbstverständlich bin ich auch zuständig für alle Angehörigen der Familie hier auf Pietro Nera. Falls Ihr irgendetwas benötigt, bei Tag oder Nacht, so lasst es mich bitte wissen.«
Er sprach förmlich und behandelte sie mit Hochachtung, und doch hatte der Mann etwas Altersloses an sich, und tief in seinen Augen blitzte es schelmisch auf. Seine Ohren liefen oben leicht spitz zu und verliehen ihm das Aussehen eines Elfen.
»Gern. Danke, Signore Faunus. Könntet Ihr mir vielleicht sagen, ob mein Mann noch zu Hause ist?«
»Der Herr ist nicht da. Er hat Anweisungen hinterlassen, das Abendessen erst spät zu servieren, wenn er zurückgekehrt ist.«
»Danke«, antwortete sie. Sie wurde rot angesichts der absurden Situation, dass ein Dienstbote den Terminplan eines Mannes besser kannte als dessen Ehefrau. Es ärgerte
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