Der Kuss des Verfemten
fernen Wunschbild, sondern der leidenschaftliche Schmerz, der einen zu dem anderen Menschen zieht wie ein riesiger Magnetstein. Es ist das überwältigende Gefühl, das alle anderen Sinne ausschaltet. Wie könnte ich je neben einem anderen Mann leben?« Sie murmelte ihre Qual in den hellen Sommertag hinaus und wünschte sich, dass die Welt in Schutt und Asche versank.
Das Bitterste war für sie jedoch, dass diese Erkenntnis zu spät kam. Niemals würde sie den grausigen Anblick vergessen, als die brennenden Balken über Martin zusammengestürzt waren. Darunter wurde ihre Liebe begraben, ihr ganzes Sehnen, ihr Leben. So viel vertane Zeit, als sie sich gegen das übermächtige Gefühl gewehrt hatte, Stolz und Hochmut herausgekehrt, ihn beleidigt und verletzt hatte. Dabei hatte er die gleiche tiefe Anziehungskraft empfunden, die auch sie verspürte. Und statt ihm nachzugeben, hatten sie sich gegenseitig bekämpft!
Was ihr nun blieb, war endlose Leere, in ihrem Inneren, um sie herum. Sie schluchzte auf. Ihr ganzer Lebenswille war gebrochen. Was gäbe sie dafür, auf der Stelle tot zusammenzubrechen und die Welt hinter sich zu lassen. Sie sehnte sich nach Frieden, endloser Ruhe und tiefem Vergessen. Ihre Finger umschlossen die steinerne Umfassung des Fensters. Der Schmerz in ihren Fingern beruhigte ihr aufgewühltes Herz. Ihre Lunge brannte, als hätte sie ätzenden Rauch eingeatmet. Den Gedanken an Gundram verbannte sie in den hintersten Winkel ihres Gehirns. Es war undenkbar, dass sie an seiner Seite zum Altar schreiten sollte. Eher wollte sie ihrem Leben ein Ende setzen!
»Ihr habt Besuch, Prinzessin«, vernahm sie die Stimme des Wachmannes von draußen. Gleichzeitig klopfte es. Es dauerte eine kleine Weile, bis die Worte in ihr Bewusstsein drangen.
Als die Tür sich öffnete, hörte Isabella kleine, verwunderte Schreie ihrer Zofen. Müde wandte Isabella sich vom Fenster ab. Im gleichen Augenblick prallte sie zurück.
»Mathilda!« Sie starrte auf die Gestalt ihrer Freundin wie auf eine Geistererscheinung. Dann lagen sich die beiden jungen Frauen in den Armen. »Mathilda! Du lebst!«, schluchzte Isabella ein ums andere Mal und streichelte sie, als könne sie es gar nicht fassen.
»Ja, ich lebe«, flüsterte Mathilda. Sie presste Isabellas Kopf fest gegen ihre Wange. »Und nicht nur ich«, hauchte sie leise.
Isabella stockte. »Was sagst du da?«
»Pssst, sei still! Wir sind alle hier! Rudolf, Jakob, Patrick und auch … Martin!«
Isabella gab ein zischendes Geräusch von sich, dann sackte sie in Mathildas Armen zusammen.
»Schnell, helft mir!«, rief Mathilda den Zofen zu. »Sie ist ohnmächtig geworden!« Gemeinsam bugsierten sie Isabella zum Bett und legten sie darauf nieder. Rosamunde holte kaltes Wasser und besprengte Isabellas Wangen. Langsam kam sie wieder zu sich und blickte sich suchend um. Ihr Blick blieb auf Mathilda haften.
»Es war kein Traum, keine Vision«, flüsterte sie.
Mathilda schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin leibhaftig hier.« Sie zwinkerte Isabella beruhigend zu. Isabella richtete sich auf, Sieglinde schob ihr einige Kissen unter den Rücken. Sie trank einen Schluck Wein, der ihre Lebensgeister wieder belebte. Dann starrte sie auf Mathildas Leib, der sich, noch kaum sichtbar, unter dem Kleid aus grobem Leinen wölbte. »Täusche ich mich, oder wächst da ein kleiner Rudolf heran?«, fragte Isabella und lächelte schon wieder ein bisschen.
»Nein, du irrst dich nicht. Es ist die Frucht unserer Liebe. Ich bin der glücklichste Mensch der Welt!«
Isabella nickte. Mathilda stockte und warf einen kurzen Seitenblick auf die Zofen. Isabella verstand sofort.
»Lasst uns allein, wir wollen in Stille für Mathildas wunderbare Errettung beten.«
Gehorsam entfernten sich die Mädchen, und Mathilda setzte sich ganz nah zu Isabella aufs Bett. »Draußen wimmelt es von Menschen, alles Gäste, die zu deiner Hochzeit gekommen sind. Wir haben uns einfach daruntergemischt. Die Männer halten sich noch etwas zurück, aber ich habe es einfach nicht ausgehalten. Und ich wollte dir wieder Mut machen.«
»Was habt ihr vor? Wie geht es Martin? Wie habt ihr den Brand überstanden? Ich habe doch Martin gesehen, wie er unter den brennenden Balken begraben wurde …«
»Langsam, langsam!«, beruhigte Mathilda sie. »Martin hat einige schwere Wunden davongetragen, aber das hat ihn nicht davon abgehalten, herzukommen. Er will den Herzog zwingen, ihn anzuhören. Er weiß, dass viele Ritter hier sind, die
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