Der Kuss des Verfemten
immer begriff Gunilla nicht, was er eigentlich hier wollte, warum er ein Kästchen aus dem Besitz der bereits vor fünfzehn Jahren verstorbenen Herzogin begehrte. Schmuck oder Gold konnte es nicht sein. Die Gäste trugen samt und sonders wertvollen Schmuck, und auch die Geldbeutel waren reichlich gefüllt, sodass er, wäre dies sein Begehr, nur die Finger danach hätte auszustrecken brauchen.
Irgend etwas Geheimnisvolles hatte es mit dieser Truhe auf sich. Ihre Gedanken kreisten um den Grund seiner Hartnäckigkeit. Was konnte im Besitz der Herzogin gewesen sein, das einen wildfremden Mann, der offensichtlich noch niemals zuvor auf dieser Burg gewesen war, zu diesem bizarren Gebaren trieb? Sie spürte eine Gänsehaut auf ihren Armen bei dem bloßen Gedanken an ihn. Und sie spürte etwas anderes, das sich wie ein eiserner Reif um ihren Brustkorb legte. Dieser Mann beherrschte etwas in ihr, er hatte ihre Leidenschaft entfacht, eine animalische Lust, die aus der schwarzen Tiefe ihrer Seele stieg.
Sie ballte ihre Fäuste und unterdrückte den seltsamen Druck in ihrem Bauch. So sehr sie diesen Mann fürchtete, gleichzeitig verlangte es sie nach dem harten Griff seiner schmalen Hände, dem wonnigen Schauder unter seinem geschmeidigen Körper, seiner rücksichtslosen Vereinigung, dem lustvoll-schmerzhaften Pulsieren zwischen ihren Schenkeln. Entsetzt vergrub sie ihr Gesicht in den Händen. Was war mit ihr geschehen? Hatte er sie behext? War sie ihm verfallen?
Sie musste sich von ihm befreien, durfte niemals mehr an ihn denken. Und sie konnte ihn nur loswerden, wenn sie ihm die kleine Truhe übergab!
Sie erhob sich und verließ unauffällig ihren Platz. Ohne große Eile schlenderte sie zurück zur Burg. Die Kämpfe würden sich noch über mehrere Stunden hinziehen, sie hatte genug Zeit, um das Kästchen aus den Frauengemächern zu holen. Als einer der Gratulanten am Morgen hatte Gunilla verfolgen können, wie der Herzog Isabella den Schlüssel zu den Schreinen überreicht hatte.
Mehrmals drehte sie sich um, aber keiner achtete auf sie. Die Menschen drängten sich um die Turnierbahn, selbst die meisten Händler hatten ihre Stände verlassen, um den Kämpfen zuzuschauen. Unbehelligt lief sie über die kaum bewachte Brücke durch das Burgtor, überquerte den Vorhof und gelangte durch das offen stehende Innentor zum Wohnturm. Sein einziger äußerer Zugang befand sich vom Laubengang aus im oberen Stockwerk, wenn man nicht durch den Palas und den Kreuzgang gehen wollte. Der Laubengang lag im Schatten, deshalb bemerkte sie die dunkle Gestalt neben einer der Säulen nicht. Sie fuhr zusammen, als eine Hand sie berührte.
»Ich sehe, mein Hündchen ist sehr folgsam«, flüsterte de Cazeville und umschlang ihre Taille. Im ersten Augenblick der Überraschung wollte sie sich wehren, besann sich jedoch. Sie hielt es für ratsamer, nicht durch Abwehr seine Roheit herauszufordern. Sie musste ihm den Wind aus den Segeln nehmen. Angriff war die beste Verteidigung. Sie musste ihn überrumpeln! Und sie durfte keine Angst zeigen!
»Natürlich«, sagte sie bewusst kokett und unterdrückte ihre aufkommende Panik. »Ich möchte, dass Ihr mit mir zufrieden seid, mein Herr.«
Misstrauisch neigte er den Kopf. »So unterwürfig, schöne Gunilla? Wo bleibt dein Stolz?«
Sie lachte und zeigte ihre ebenmäßigen Zähne. »Wolltet Ihr ihn nicht schon immer brechen?«
Er schaute sie an, und sie spürte die winzige Unsicherheit in seinem Blick. Seine Augen! Sie waren seine schwache Stelle, durch sie konnte sie in sein Inneres schauen!
Heftig umschlang sie mit den Armen seinen Hals und zog seinen Kopf zu sich herunter. Dann presste sie leidenschaftlich ihre Lippen auf seinen Mund. Sie bemerkte seine momentane Verblüffung, aber gleich darauf zog er sie an sich, und seine Hände glitten über ihren Rücken und ihr Gesäß. Er erwiderte ihren Kuss, der wie Feuer durch ihren Körper raste und sich in heißer Glut in ihrem Schoß ergoss. Jeder Nerv zuckte unter der gewaltigen Anspannung, die sie erfasst hatte. Mit den Fingern fuhr sie durch sein dichtes, dunkles Haar, presste ihn an sich und schob ihre Zunge zwischen seine sinnlichen Lippen. Sie spürte seinen stoßweisen Atem, dass er nach Luft rang und selbst in heftige Erregung geriet. Begierig saugten sie sich aneinander fest, ihre Körper aneinandergepresst. Sie spürte seine überdimensionale Erregung zwischen seinen Lenden, seinen katzenhaft geschmeidigen Körper, der sich an ihr rieb. Seine
Weitere Kostenlose Bücher