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Der Kuss des Verfemten

Der Kuss des Verfemten

Titel: Der Kuss des Verfemten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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begann mit Isabellas Erscheinen, nachdem sie mit dem Herzog, ihrem Gefolge und den sechzig teilnehmenden Rittern in der kleinen Hofkapelle, in der es eng wurde und klapperte und schepperte wie bei einem Kesselflicker, für einen glücklichen Ausgang des Turniers gebetet hatte. Die Gebete der Ritter mussten wohl alle den gleichen Herzenswunsch zum Inhalt gehabt haben – im Turnier zu siegen! Isabellas Gebet jedoch umschloss einen bestimmten Ritter, der als Sieger aus diesem Turnier hervorgehen sollte. Da sie als Angehörige der Familie oberhalb des kleinen, rechteckigen Kirchenschiffs mit der halbrunden Apsis auf der Empore saß, sah sie nur die gebeugten Rücken der betenden Ritter, blinkende Rüstungen mit bunten Waffenröcken. Isabella reckte den Hals, doch da sie weder wusste, welche Farbe noch welches Wappen der Ritter von Drachenfels trug, konnte sie sich nur am blonden Haarschopf orientieren, den jedoch eine Vielzahl der anwesenden Ritter aufwies.
    Bis jetzt hatte ihr Schutzheiliger ihr auch in größter Not beigestanden, und Isabella war sicher, dass er sie auch diesmal nicht im Stich lassen würde.
    Ein Raunen ging durch die Zuschauer, und die Menschenmassen wogten wie die Wellen des Meeres, als Isabella in ihrem goldenen Kleid den mit Blumen bestreuten Weg zur Ehrenloge des Turnierplatzes herabschritt. Die Sonnenstrahlen spiegelten sich auf ihrem Kleid, und es funkelte in einem überirdischen Licht. Isabella selbst sonnte sich in ihrem Glanz. Ihren Kopf trug sie hoch erhoben, ihre Augen funkelten wie Sterne, und ihr Herz flatterte wie ein kleines Vögelchen im Käfig, das den Frühlingswind spürt. Sie schritt hinaus ins Leben, hinaus in die Welt. Huldvoll nickte sie den Gästen und Zuschauern zu, sie lächelte freundlich und grüßte hinüber zu den Rittern, die sich zur Fahnenpräsentation aufgestellt hatten. Sie war die unangefochtene Königin, nicht nur in der Burg ihres Vaters, sondern auch in den Herzen ihrer Untertanen. Und wenn nicht jedem der Ritter auf dem Turnierplatz schon vorher Mut und Stolz die Brust geschwellt hätte, spätestens beim Anblick der strahlenden Prinzessin war jeder bereit, ihr sein Leben zu Füßen zu legen.
    Winfried, der Waffenmeister, übte gleichzeitig das Amt des Turnierrichters aus. Seine Weisungen waren strikt zu befolgen, sonst wurde der Teilnehmer disqualifiziert.
    Zunächst jedoch begann der Hauptteil der Veranstaltung mit dem Aufmarsch der Teilnehmer und der Präsentation der Wappen und Fahnen. Die Ritter trugen ihre Prunkrüstungen, farbenfroh verziert durch die übergeworfenen Waffenröcke. Viele trugen bunte Federbüsche auf den Helmen, in der rechten Hand hielten sie die Fahnen, auf denen die jeweiligen Wappen prangten. Die Linke hielt den Schild und die Zügel. Die muskulösen Rosse reagierten auf Schenkeldruck und Sporenhilfe. Paarweise ritten die Teilnehmer an der Ehrenloge vorbei, um die herzogliche Familie zu grüßen und Isabella ihre Reverenz zu erweisen. Es war ein prächtiger Zug, der an Isabella vorbeigaloppierte. Ihre Augen irrten umher, doch in dem bunten Gewimmel und im Gleißen und Blitzen der Rüstungen konnte sie Ritter Michael nicht entdecken.
    »Mathilda, siehst du ihn?«, fragte sie aufgeregt.
    Verzweifelt hob Mathilda die Hände. »Wie soll ich ihn hier entdecken? Was für ein Wappen gehört ihm, welche Farben trägt er?«
    »Wenn ich das wüsste, hätte ich ihn schon selbst entdeckt«, erwiderte Isabella verärgert. Stellte Mathilda sich wieder schwerfällig an! Isabella kam nicht dazu, weiter mit Mathilda zu grollen. Die Ritter stellten sich jetzt in zwei Reihen gegenüber auf. Ihre Knappen hielten die Pferde fest. Winfried erhob sich.
    »Edle Ritter! Zum fairen Wettstreit sind wir angetreten, der hohen Dame zu huldigen. Ein jeder kämpfe nach seinen besten Kräften und Geschick, mit Mut und Ehre. Der Tapferste und Mutigste, der Gewandteste und Stärkste möge gewinnen. Gelobet, die Regeln zu achten, fair zu kämpfen und den Sieg ehrenvoll zu erringen!«
    »Wir geloben!«, brüllte es aus sechzig männlichen Kehlen.
    Winfried hob gebieterisch die Hände. »So höret denn: gekämpft wird nach den Regeln der Tjost im Zweikampf mit der stumpfen Lanze. Das Los entschied in zwei Gruppen, sodass der Erste der ersten Gruppe gegen den Ersten der zweiten Gruppe antritt. Es werden so viele Angriffe geritten, bis einer der Gegner aus dem Sattel stürzt. Wer gegen die Regeln verstößt, wird vom Kampf ausgeschlossen und mit Schimpf und Schande vom Platz

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