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Der Kuss des Verfemten

Der Kuss des Verfemten

Titel: Der Kuss des Verfemten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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gejagt! Meine Herren Ritter, sind Sie bereit?«
    »Wir sind bereit!«, erscholl der sechzigstimmige Chor.
    Alle blickten zu Isabella.
    »Ihr müsst mit Eurem Spitzentuch das Zeichen geben«, raunte Mathilda ihr zu.
    Isabella hatte noch immer vergeblich versucht, unter den Rittern Michael auszumachen. »Was soll ich?«, fragte sie verwirrt.
    »Das Zeichen! Gebt mit dem Tuch das Zeichen!«, flüsterten die Edeldamen aufgeregt.
    Isabella erhob sich, lächelte und hob ihre Hand. Sie schwenkte das goldgewirkte Spitzentuch. Wieder ertönte ein vielstimmiger Chor, dann schwenkten die beiden Gruppen zum jeweiligen Ende des Turnierplatzes. Die beiden ersten Ritter stellten sich auf. Die Knappen reichten ihnen die Lanzen, und Isabella sah, dass jede Lanzenspitze mit einem goldenen Band verziert war. Alle trugen Isabellas Farben!
    Die Rosse schnaubten und wieherten. Ihre Hufe trommelten ungeduldig im Sand der Turnierbahn. Die Knappen hielten jetzt die Fahnenstangen, während die Ritter ihre Lanzen hoben. Das Lanzenende war abgestumpft. Winfried gab das Zeichen, und beide Ritter preschten aufeinander zu. Schaumfetzen flogen aus dem Maul der Pferde, es krachte, als die Lanzen auf die gegnerische Rüstung stießen. Im hohen Bogen flog einer der beiden Angreifer aus dem Sattel, während sich der andere mit Mühe auf dem Pferd halten konnte. Auch er hatte den Stoß auf der Rüstung abbekommen, doch jetzt riss er jubelnd seine Lanze hoch, als der andere scheppernd im Sand landete. Sofort eilten dessen Knappe und Helfer des Turniers herbei, um ihm auf die Beine zu helfen. Stöhnend wankte er vom Platz, und Isabella war sicher, dass er sich bei dem harten Sturz verletzt hatte.
    Doch ihr blieb keine Zeit nachzudenken. Das nächste Gegnerpaar stand bereit, um sich zu attackieren. Manchmal fielen beide Angreifer aus dem Sattel, sodass es keinen Sieger des Zweikampfes gab. Nach dem ersten Durchgang blieben von den sechzig Rittern vierundzwanzig als Zweikampfsieger übrig.
    Die Knappen der Sieger zogen die nächsten Lose. In dieser kleinen Pause, während der die Kämpfer verschnaufen konnten, versuchte Isabella wiederum vergeblich, Ritter Michael ausfindig zu machen. Ein beklemmendes Gefühl legte sich um ihre Brust.
    »Mathilda, kannst du ihn nicht entdecken?«, fragte sie verzweifelt.
    »Nein, wie denn auch? Dort sehe ich einen mit einem roten Drachen auf weißem Grund. Da drüben trägt ein Ritter einen goldenen Doppeldrachen, und einen grünen Drachen mit einer Krone gibt es auch. Aber ob das dieser Ritter Michael ist?«
    »Verdammt, Mathilda, ich will wissen, wo Ritter Michael ist!«
    »Ihr flucht, Hoheit!« Mathilda sprang entsetzt auf. »Das bringt Unglück!« Auch Rosamunde, Margarete und Sieglinde blickten sie erschrocken an.
    Schnell bekreuzigte Isabella sich. Was war bloß in sie gefahren? Mathilda ergriff ihre Hand, um sie zu beruhigen. »Es hat jetzt keinen Sinn, nach ihm zu suchen! Ihr müsst warten, bis der Kampf entschieden ist.«
    »Aber ich will doch für ihn beten, damit er gewinnt! Wie soll ich das machen, wenn ich nicht weiß, welcher er ist!«
    »Dann schließt einfach die Augen und schaut auf das Bild in Eurem Inneren, das Ihr von ihm behalten habt.«
    »Gute Idee!« Isabella schloss die Augen. Vor ihr erhob sich das Bild eines überirdisch großen Mannes in silberner Rüstung. Unter dem geschlossenen Visier funkelten blaue Edelsteine wie Sterne.
    Es krachte, und Isabella riss erschrocken die Augen auf. Zwei Ritter wälzten sich ächzend im Sand. Einer zog sich den Helm vom Kopf. Er hatte blondes, langes Haar. Isabella sprang auf, doch Mathilda zog sie energisch wieder auf ihren Stuhl.
    »Er ist es nicht«, flüsterte sie. Jetzt sah auch Isabella, dass es sich um einen anderen Mann handelte. Sie konnte weiter hoffen. Aufatmend ließ sie sich wieder nieder und presste die Hände zusammen. Das nächste Gegnerpaar hatte sich bereits aufgestellt.
    *
    Gunilla von Wintersberg saß auf einem der Logenplätze neben der Ehrenloge. Ihre Lippen waren blass, und ihr Atem ging heftig. In der allgemeinen Unruhe nahm niemand Notiz davon. Ruhelos irrten ihre Augen umher, doch ihre Blicke galten nicht den edlen Rittern, den mutigen Recken auf der Kampfbahn. Sie suchte den unheimlichen Mann mit dem stechenden Blick. Doch weder unter den Zuschauern noch bei den Knappen und Kämpfern konnte sie ihn entdecken. Insgeheim atmete sie auf. Vielleicht hatte er sich aus dem Staub gemacht, vielleicht war er schon längst weitergeritten. Noch

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