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Der Kuss des Verfemten

Der Kuss des Verfemten

Titel: Der Kuss des Verfemten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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zu ihm empor. Die Sonne hatte ihre Wangen gerötet, vielleicht war es auch der Schreck über die unvermutete Begegnung. Gleich darauf errötete sie tief.
    »Was ist schön an einer körperlichen Berührung?«, entgegnete Isabella zornig.
    Martin lächelte und zog sie in seine Arme. »Es ist schön«, wiederholte er. »Einfach so.«
    Isabella regte sich nicht und schien in sich zu lauschen. Sie spürte Martins Atem auf ihrem Haar und die Kraft seiner Muskeln. Er trug nur ein einfaches Wollhemd, und sie fühlte darunter seinen Körper erregend nahe. Einen Augenblick lang kämpfte sie gegen die Versuchung, ihren Kopf an seine Brust zu legen, seinen Herzschlag zu hören, den Duft seiner Haut einzuatmen. Ihre Hände lagen unschlüssig auf seinen Schultern. Doch dann besann sie sich. Sie versteifte ihren Rücken und ballte die Hände zu Fäusten.
    »Nein, es ist nicht schön«, widersprach sie trotzig. In ihrem Blick lag die Schärfe einer gezogenen Schwertklinge.
    Martin schwieg und blickte lächelnd zu ihr herab. »Im Zorn funkeln deine Augen, deine Wangen röten sich, und es bilden sich zwischen deinen Augenbrauen kleine Fältchen.«
    »Ich habe keine Falten«, zischte sie erbost, und wieder fuhr ihre Zungenspitze nervös über ihre Lippen. Martin starrte fasziniert auf ihren Mund. Erregt sog er die milde Frühlingsluft durch die Nase, doch er spürte den zarten Blumenduft nicht.
    Zu spät sah sie das smaragdfarbene Blitzen in seinen Augen. Und dann sah sie gar nichts mehr. Er beugte sich zu ihr herunter und berührte ihre Lippen.
    Reglos ließ Isabella es geschehen. Sie war benommen von seinem Duft nach Leder und Wind. Seine Hände fuhren sacht auf ihrem Rücken auf und ab, und ein heftiger Schauer durchfuhr sie. Ein Funke entzündete sich und fraß sich durch ihre Adern. Irgendwo tief in ihrem Inneren loderte ein Feuer auf und streckte seine heißen Zungen nach ihrem Körper aus. Seine Lippen waren warm und feucht und wurden nach der ersten sanften Berührung fordernder. Isabella zitterte. Sie nahm alle Kraft zusammen und riss sich von ihm los. Sie taumelte zurück und blickte sich verstört um.
    »Was hast du, Isabella?«, fragte Martin erschrocken.
    Sie warf den Kopf zurück. »Was erlaubt Ihr Euch, elender Räuber?«, rief sie aufgebracht. »Ich bin die Tochter des Herzogs. Wie könnt Ihr es wagen …«
    Seine Miene verdüsterte sich, und er senkte den Kopf. »Ich dachte, du hättest mich verstanden«, murmelte er.
    »Was soll ich verstanden haben?«, schnaubte sie. »Dass ich mich in Eurer Gewalt befinde? Das vergesse ich keinen Augenblick! Doch ich kämpfe bis zum letzten Atemzug.«
    »Wofür?«, fragte er belustigt.
    »Um meine Ehre!«
    Martin wandte sich um. »Ich auch«, sagte er im Gehen.
    Isabella blickte ihm grimmig nach. Mit den Fingern tastete sie zwischen ihre Augenbrauen und fühlte zwei kleine, steile Falten.
    »Verdammt!«, fluchte sie leise. »Ich hasse ihn! Ich bringe ihn um!«
    *
    Die Lautenklänge schwebten zart und rein durch die abendliche Luft. Gleich den rotgoldenen Strahlen der untergehenden Sonne zauberten sie eine romantische Stimmung zwischen die verfallenen Burgmauern. Zu den zarten Tönen der Laute mischte sich die klare Stimme eines Knaben.
    Isabella lauschte verzückt. Sollte es hier zwischen all der Rohheit und Verderbtheit tatsächlich noch so etwas wie Feingeist geben? Gab es Sänger, Dichter, Musikanten? Gab es noch Liebhaber der hohen Minne, gab es einen Glauben an die ritterlichen Ideale?
    Leise öffnete Isabella ihre Kammertür. Der Gang lag still und verlassen. Auf Zehenspitzen schlich sie auf den Hof. Am Fuß der Holzstiege, die zum Wehrgang hinaufführte, hatten sich die Burgbewohner versammelt. Sie hockten auf Kisten, Körben, Fässern oder direkt auf dem Boden und lauschten andächtig dem Gesang des Knaben. Isabella konnte ihn nicht erkennen. Doch als er den Kopf hob, sah sie, dass es Patrick war, Rudolfs Knappe.
    Patrick saß auf einer der Stufen der Treppe, die Laute auf seinen Knien. Er beherrschte das Instrument vollendet, seine Stimme war klar wie ein Felsquell. Er sang in französischer Sprache. Und plötzlich fiel mit angenehmem Bariton sein Herr in diesen wunderschönen Gesang ein. Isabella verstand zwar den Sinn der Worte nicht, aber das Lied ging ihr trotzdem unter die Haut. Rudolf hielt ebenfalls eine Laute in der Hand. Ritter und Knappe spielten in Harmonie dieses seltsame, melancholische, recht orientalisch klingende Lied.
    Ohne dass es Isabella bewusst wurde,

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