Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)
Unterholz.
Grinsend legte sie die Früchte in den hinteren Teil der Kutsche. »Ich habe in meinem Leben erst weniger als ein Dutzend Mal Toskas gegessen, aber sie waren jedes Mal köstlich.«
»Sie werden dir bald bis zum Hals stehen«, meinte Wolfer, als er ihr beim Einsteigen half. »Die alten Obstgärten sind verwildert, nachdem die Plantagen verlassen worden sind, aber der Anzahl der Bäume nach zu schließen zählten Toskas zu den auf der Insel am häufigsten angebauten Früchten. Wir sollen aber Fingerfrüchte holen. Ich weiß eine Stelle, wo sie schon reif sein müssten, und da rankt sich auch Vira-Pfeffer um den unteren Teil der Baumstämme. Wir müssen ein gutes Stück durch den Wald laufen«, warnte er sie. »Aber die Mühe lohnt sich.«
»Du bist hier der Einheimische«, nickte Alys. »Eines habe ich ganz vergessen, wer musste denn heute die Hühner … Verzeihung, die Hühner untertanen füttern?«
Wolfer grinste. »Saber. Und ich habe überhaupt nichts dagegen, dass sie ihm in die Knöchel hacken.«
»Sie sind wirklich eine Plage«, stimmte Alys zu. Einen Moment später musste sie lachen. »Zu schade, dass wir sie nicht meinem Onkel auf den Hals hetzen können. Sie sind fast so schlimm wie seine Makkadadaks.«
»Aber Alys!«, neckte Wolfer sie so, wie er es früher schon getan hatte. »Ich wusste gar nicht, dass du so grausam sein kannst. Ich bin sehr stolz auf dich!«
Ihr Lachen hallte durch den Wald und erschreckte die Vögel im Geäst der Bäume so, dass sie zum sich rasch bewölkenden Himmel emporflatterten.
Am Nachmittag war ihnen das Lachen vergangen. Alys seufzte tief, als sie zur Tür des alten Bootshauses hinausstarrte. Gerade, als sie vom Rand des Docks aus die Netze hatten auswerfen wollen, waren sie vom Regen überrascht worden. Von Regen und einem leisen Donnergrollen in der Ferne. So nah am Ufer gab es nicht viele intakte Gebäude mehr; das Bootshaus hatten die Brüder repariert, um ihre mit Zaubern belegten Netze dort lagern zu können, aber in den verwitterten Brettern klafften noch immer große Ritzen.
»Entspann dich«, riet Wolfer ihr. »Der Regen ist eine gute Sache.«
»Es sieht aber so aus, als würde es stundenlang regnen«, stellte Alys fest, dabei rümpfte sie erneut die Nase.
»Zwei oder drei Stunden höchstens. Aber nach so einem Regenguss sind die Fische meistens hungrig«, erklärte er ihr. »Wir brauchen nur ein paar Köder ins Wasser zu werfen, einige Momente zu warten, die Netze über die betreffende Stelle auszulegen und sie dann einzuholen. Nichts, wovor man sich fürchten muss.«
»Ich weiß nicht«, murmelte sie, dabei versuchte sie herauszufinden, ob es wirklich geblitzt hatte oder ihre Augen ihr einen Streich spielten. Im Tageslicht ließ sich das nicht genau sagen.
»Ein Eimer mit Hühnerinnereien ist mit Sicherheit nicht so schlimm wie das, was du an die Menagerie deines Onkels verfüttern musstest, was auch immer es war«, fuhr der Mann, der hinter ihr die Netze überprüfte, fort.
»Hühner, Schweine, Schafe, Kühe... Hühner sind schlimm genug, aber Hammelfleisch stinkt noch übler. Wenn meinem Onkel nicht die einzige Schlachterei auf seinem Land gehört hätte, wäre es ihm schwergefallen, diese Mengen Fleisch aufzutreiben, ohne Verdacht zu erregen. Können wir auch ein paar Schafe anschaffen, zusammen mit den Kühen?«, wechselte Alys das Thema. »Ich esse das Fleisch zwar nicht besonders gern, aber dann hätten wir Wolle für Kleider.«
Wolfer wandte sich von den Netzen ab, von denen keines ausgebessert werden musste, schlang von hinten die Arme um Alys und stützte das Kinn auf ihre Locken. »Meine häusliche Göttin. Wir haben nicht viel Bedarf an Wolle, nur in den kältesten Monaten ab und an. Ich weiß nicht, ob sich der Aufwand lohnen würde, aber wenn du gern welche haben möchtest und bereit bist, sie zu versorgen … Vielleicht sollten wir dir den offiziellen Titel Herrin der Herden verleihen?«
»Das klingt gut.« Sie lehnte gegen ihn, während der Regen auf das Dach über ihren Köpfen trommelte, und entspannte sich, bis er die Unterseite ihrer Brüste zu streicheln begann. »Wolfer!«
»Wir müssen doch die Zeit totschlagen, bis der Regen nachlässt«, erwiderte er schelmisch. Seine tiefe Stimme ließ Nerven kribbeln, die seine Hände nicht erreichten.
Nur der Donner in der Ferne antwortete ihm. Alys war zu sehr damit beschäftigt, sich in seinen Armen umzudrehen, um ihn küssen zu können. Ihr Kuss dauerte bis zum nächsten
Weitere Kostenlose Bücher