Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)
besser beherrschen.«
Sie strich behutsam über das geflochtene Band aus ihrem eigenen Haar, erst in die eine, dann in die andere Richtung. Allein dieser indirekte, noch nicht einmal seine Haut berührende Kontakt ließ Wolfer erschauern. Er ließ den Arm sinken, räusperte sich und konzentrierte sich.
Einen Moment später stand er als brauner, goldäugiger Hengst vor Alys. Zum Glück war sie zu sehr mit dem Versuch beschäftigt, seinen Rücken zu erklimmen, um zwischen seine Beine zu schauen. Sie hüpfte und wand sich und klammerte sich an seinen Widerrist, rutschte aber immer wieder ab und landete im Sand.
»Ich kann nicht aufsteigen«, gestand sie schließlich, dabei gab sie ihm einen kleinen Klaps auf die Schulter. »Du bist zu groß, Wolfer!« Als er die Nüstern in ihr Haar grub, verflocht sie ihre Finger in seine Mähne und führte ihn den Strand hoch. Dort, wo der Sand erst Kies, dann Steinen wich und eine kleine Landzunge in das Wasser ragte und die Bucht von der nächsten trennte, gab es einen niedrigen Felsen. Sie kletterte darauf, zog ihn näher zu sich und raffte errötend ihren Rock. »Sieh weg, Wolfer. Du trägst keinen Damensattel, und mein Rock ist für … für das hier nicht weit genug geschnitten.«
Er wandte schnaubend den Kopf zur Seite und verfolgte dank seines ausgezeichneten peripheren Pferdeblicks, wie sie ihren schlichten braunen Rock über die Knie hochzog. Einen Moment lang kämpfte sie mit Stiefeln, Knien und Ellbogen, dann glitt sie auf seinen Rücken und machte es sich direkt hinter seinem Widerrist bequem. Allein der Gedanke daran, dass sich sein Rückgrat jetzt dort befand, wo ein anderer Teil von ihm viel lieber gewesen wäre …
Wieder ließ er ein leises Schnauben hören; froh darüber, dass sie auf seinem Rücken saß und nicht unter seinen Bauch blicken konnte. Das ist das von den Göttern verdammte Problem, ein männlicher Gestaltwandler zu sein. Die meisten Tiergestalten lassen keinen Raum für Privatsphäre … Der Magier schalt sich stumm dafür aus, solche Lustgefühle zu entwickeln, nur weil jetzt wieder eine ungebundene Frau auf der Insel war. Allerdings hatte er Kelly, der Frau seines Bruders, keine derartigen Gefühle entgegengebracht, und dann war sein Zwillingsbruder zur Vernunft gekommen und hatte das kleine Temperamentsbündel für sich beansprucht. Mit dem Pferdeäquivalent eines Seufzers trabte Wolfer auf die Bäume zu, die den Strand säumten.
Als er stehen blieb und einen Baum anstupste, dauerte es einen Moment, bis Alys begriff, dass er ihr klarmachen wollte, dass die Früchte dieses Baumes reif und essbar waren. Hungrig murmelte sie einen Dank, pflückte drei davon ab und vertraute darauf, dass er sie behutsam weitertrug, während sie sie mit den Fingern schälte und das saftige, süße Fruchtfleisch verschlang.
Er überquerte den Hügel und schritt auf der anderen Seite zur Wasserlinie der nächsten Bucht hinunter. Inzwischen verzehrte Alys ihr Frühstück, leckte sich die Finger ab, gab Wonnelaute von sich und genoss ihre erste richtige Mahlzeit seit dem Mittag des Vortages. Sie hatte schon die dritte Frucht zur Hälfte verspeist, als sie bemerkte, dass sich Wolfer nicht mehr bewegte.
Langsam dämmerte es auch Alys, dass sie gerade einige der Geräusche ausgestoßen hatte, mit denen Frauen laut Cari ihrer Leidenschaft Ausdruck verliehen. Einen langen Moment verharrten sie so, er stand so still wie eine Statue, sie saß regungslos wie eine Skulptur auf seinem Rücken. Ihr Schatten fiel rechts von ihnen, fort von der Morgensonne, über den Boden.
Irgendetwas an dieser grauen Silhouette erweckte ihre Aufmerksamkeit, aber als sie sie eingehender betrachtete, brauchte sie einige Augenblicke, um zu begreifen, was es war. Pferde hatten nur vier Beine und einen Schweif. Da alle seine vier Hufe fest auf dem Sand standen und sein Schweif fast bis zum Boden fiel, konnte dieser Streifen zwischen seinen Beinen nur …
Bei den Göttern ! Mit der Anatomie von Pferden kannte sie sich aus. Von männlichen Pferden . Alys vermochte kaum noch zu atmen; sie wartete darauf, dass sich der altvertraute Ekel wieder einstellte. Ihr langes, offenes Gespräch mit Cari schien jedoch seine Wirkung auf sie nicht verfehlt zu haben, denn sie fühlte sich nicht im Entferntesten abgestoßen, sondern verspürte vielmehr einen Anflug von Erregung. Ihr Körper entspannte sich, akzeptierte unbewusst, was mit ihr geschah.
Dann schaltete sich ihr Verstand ein, und ihr Herz beschrieb
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