Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)
trocken war, ließen sich sogar Salzrückstände als feiner Staub abschütteln.
Während sie ihren Umhang und ihre Röcke ausschüttelte, hörte sie ein Geräusch. Ein Knurren. Nach Luft schnappend wirbelte sie herum, bereit, sich erneut zu verwandeln und fliegend die Flucht zu ergreifen, falls sie sich einem wilden Tier gegenübersah, obwohl sie erschöpft und hungrig war und Fliegen viel Kraft kostete.
Ein großer Wolf – nicht so riesig wie ein Pookrah, aber dennoch furchteinflößend genug – kauerte vor ihr auf dem Sand. Sein bräunliches Fell sträubte sich am Hals, die Zähne hatte er bedrohlich gefletscht, und seine goldenen Augen glühten.
Goldene Augen. Braunes Fell. Auf Nightfall...?
»Wolfer!«, schalt Alys, deren Furcht Zorn gewichen war, sowie sie die Gedankenverbindung hergestellt hatte. »Du hast mich erschreckt!«
Der Wolf blinzelte, heulte leise auf, während er sie anstarrte, und wich dann unsicher zurück. Aber es war zweifellos Wolfer; jetzt, wo die Angst ihr nicht mehr die Sinne vernebelte, erkannte sie die Aura von Gestaltwandlungsmagie, die ihn umgab.
»Wolfer, ich bin es, Alys – erkennst du mich nicht mehr?«
Wolfer blinzelte erneut. Die Windrichtung war ungünstig; er konnte sie nicht wittern … aber sie sah zumindest aus wie Alys. Nach dem zu urteilen, was sich unter dem grob gewebten Wollumhang abzeichnete, hatte sie mehr Kurven als früher, und ihr Haar war geflochten, statt ihr offen über den Rücken zu fallen, aber es waren dieselben dunkelgoldenen, schwer zu bändigenden Locken, die ihn immer fasziniert hatten. Dieselben Locken, die er zu einem Armband verflochten für immer am Handgelenk seiner menschlichen Gestalt trug.
Die Frau hatte auch dieselben sanften grauen Augen, die sich so von dem harten Stahlgrau seines Zwillings unterschieden und ihn aus einem zarten ovalen Gesicht entgegenblickten. Sie war etwas erwachsener geworden, seit er sie zuletzt gesehen hatte, aber nicht sehr. Der Wind änderte seine Richtung ein wenig, und er sog ihren unverwechselbaren femininen Duft ein. Er konnte sich nicht erklären, wieso er sich nach dreijährigem Exil noch so genau daran erinnern konnte, aber er erkannte ihn wieder, sowie der Wind ihn zu ihm herübertrug.
Es war Alys.
Wolfer nahm achselzuckend wieder seine menschliche Gestalt an. Er war zum Strand gelaufen, um über den Ozean hinwegzustarren, weil er zu ruhelos gewesen war, um Schlaf zu finden, und hatte am Strand einen Gestaltwandler entdeckt.
Alys musterte ihn eindringlich; nahm den Anblick seiner braunen Hose, der grauen Tunika und der wilden Mähne brustlangen, fast glatten, dichten Haares, das er ebenso wie sie kaum zu bändigen vermochte, in sich auf.
Wolfer vermochte es immer noch kaum zu fassen, dass sie wirklich vor ihm stand. » Alys ?«
Sie trat lächelnd einen Schritt vor. Er tat es ihr nach, und sie nickte. »Ja, in Lebensgröße.«
»Alys!« Ein breites Grinsen trat auf Wolfers Gesicht. Er stürzte auf sie zu, riss sie in die Arme und wirbelte mit ihr im Kreis. »Alys! Alys!«
Sie zappelte quietschend in seiner Umarmung, weil er sie so fest an sich drückte, dass sie kaum Luft bekam. »Wolfer, ach, Wolfer, du hast mir gefehlt.«
»Du mir auch.« Er zog sie noch enger an sich und vergrub das Gesicht in ihrem Haar.
Doch dann begann sein Körper auf die Brüste, die Schenkel und die Hüften zu reagieren, die sich an ihn schmiegten. Rasch, ehe sie etwas merkte, gab er sie frei und hielt sie auf Armeslänge von sich ab; vorgeblich, um sie genauer anzusehen, aber das Betrachten der Kurven, die er nie zuvor bewusst wahrgenommen hatte, half auch nicht gerade.
»Du siehst …« Falsches Thema. Er nahm die Hände von ihren Schultern, trat einen Schritt zurück und kam auf die Art ihrer Ankunft zu sprechen. »Ich wusste nicht, dass du über genug Magie verfügst, um dich zu verwandeln.«
»Ich habe gewisse Fähigkeiten entwickelt«, gab sie mit einem Lächeln und einem Achselzucken zu. »Keine besonders ausgeprägten, aber für meine Zwecke genügen sie.«
Wolfer sah sich um. »Bist du allein gekommen, oder ist dein Onkel bei dir?«
Zu Alys’ Erleichterung klang die letzte Frage alles andere als erwartungsfroh, daher konnte sie ihm sagen, was sie zu sagen hatte. »Ich bin weggelaufen.«
Wolfer starrte sie an. »Du bist was?«
Sie konnte ihm nicht alles erzählen; sie war nicht sicher, wie er reagieren würde, wenn er von all den Dingen erfuhr, die sie hatte tun müssen. Vermutlich wäre er außer sich
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