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Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)

Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Johnson
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Geräusch hochzuschrecken. Er hatte sie nie überrumpeln können, und mehrmals war seine Begierde verflogen, wenn sie sich aufgesetzt und ihn geradeheraus gefragt hatte, ob er seine Träume von Reichtum und einem vorteilhaften Bündnis begraben hatte, weil er offenbar seine jungfräuliche Nichte nicht mehr an den Meistbietenden verkaufen wollte.
    Nur dass sie sich nicht mehr in einer ihrer alten Kammern befand, weder in Devries Hall noch in Corvis Castle. Sie lag in ihrem neuen Raum auf Nightfall. Trotzdem hatte sie das Geräusch der sich öffnenden Tür geweckt. Sie blieb im Bett liegen, spitzte die Ohren und setzte ihre dürftigen magischen Sinne ein, um herauszufinden, wer der Eindringling war.
    Es war weder ihr Onkel Broger noch ihr Onkel Donnock, sondern Wolfer.
    Beinahe hätte sie sich auf den Ellbogen gestützt und zu erfahren verlangt, was er hier zu suchen hatte. Mit einem halb im Kissen vergrabenen Auge spähte sie zu ihm hinüber und sah ihn den Raum betreten und die Tür hinter sich schließen. Er hielt einen großen Korb in der Hand, einen mit Blumen gefüllten Korb! Im Licht der frühen Morgensonne, das durch die Vorhänge vor dem Fenster fiel, erkannte sie, dass die Blumen aus den Gärten vor ihrem Flügel der Burg stammten. Die meisten begannen gerade erst zu blühen.
    Sie schloss das Auge rasch, als er argwöhnisch in ihre Richtung blickte.
    Auf jedes Geräusch lauschend hörte sie ihn leise über den Boden tappen. Der Duft von Tau und Pollen stieg ihr in die Nase, als er sich ihrem Bett näherte, und vermischte sich mit seiner persönlichen Ausdünstung – sauberer und schwächer als während des Mittagsmahls am Tag zuvor. Der Geruch nach Seife und Feuchtigkeit verriet ihr, dass er vor kurzem gebadet hatte. Der Blumenduft verstärkte sich, und sie spürte, wie er rechts neben ihrem Bett stehen blieb. Ihr neues Bett war viel größer und weicher als ihre früheren. Dann schlich er davon, die Tür knarrte und fiel leise ins Schloss, doch der Blumenduft blieb.
    Alys öffnete vorsichtig ein Auge – und starrte eine Rose an. Sie befand sich in der Phase, die sie am meisten liebte; zwischen geschlossener Knospe und halb geöffneter Blüte. Tau glitzerte auf den roten Blütenblättern. Alys setzte sich auf und blinzelte verwirrt, als ihr Blick auf eine wahre Flut von Stängeln und Blüten fiel; er hatte sie über die gesamte Bettdecke verteilt, so behutsam, dass sie es nicht gespürt hatte.
    Sie wusste nicht, was sie mit dieser stillen Gabe anfangen und was sie davon halten sollte. Alys war sicher, dass er nicht gemerkt hatte, dass sie wach war, sonst hätte er sich zu erkennen gegeben, was zu der Frage führte, warum er so geheimnisvoll zu Werke gegangen war. Es sei denn, er will verhindern, dass seine Brüder erfahren, was er tut …Es muss ihm ebenso peinlich gewesen sein wie mir, als sein Bruder uns gestern in der Halle überrascht hat.
    Jetzt verstand sie, warum er vorgegeben hatte, nicht mehr zu wissen, was er getan hatte. Er hatte sein Verhalten nicht gegenüber dem viertgeborenen Bruder erklären wollen. Ihre Lippen verzogen sich einen Moment lang. Sie wünschte, er hätte den Mut gehabt, sie ganz offen zu küssen, ohne sich darum zu scheren, was andere dazu sagten. Und dann seufzte sie.
    Ein Esel schilt den anderen Langohr. Du bist genauso ein Feigling, Alys of Devries, also steht es dir nicht zu, ihn zu verurteilen.
    Die Blumen verliehen ihr jedoch Mut. Sie schob sie behutsam beiseite, um sie nicht zu zerdrücken, stand auf, schlüpfte in die Hose und die Tunika, die Kelly ihr gegeben hatte, und sammelte dann alle Blumen bis auf die eine Rose wieder ein. Von den Rosen waren die Dornen entfernt worden, stellte sie fest. Sie waren mit Glockenblumen, tanzitas , Ringelblumen und gleichfalls dornenlosen Orchidaria -Zweigen kombiniert worden. Sie klemmte sie sich in die Armbeuge, da er den Korb mitgenommen hatte, spähte in den Gang hinaus und schlich dann zu seiner Kammer hinüber.
    Dort klopfte sie vorsichtig an die Tür, erhielt aber keine Antwort.
    Alys nahm all ihren Mut zusammen und schlüpfte hinein. Es war eine Zimmerflucht mit Wohnraum, aber Wolfer befand sich nicht darin. Auf Zehenspitzen schlich sie zu der nächsten Kammer und schielte am Rand der Tür vorbei. Er war auch nicht im Schlafraum. Sie eilte zum Bett und verteilte die Blumen auf der nachlässig geglätteten Decke.
    Ein Plätschern hinter der anderen Tür im Raum ließ sie zusammenfahren und rasch nach einem Versteck Ausschau

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