Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)
kurzer Zeit seine alte Jugendfreundin so viel mehr als das für ihn geworden war. Sie musste sein Schicksal sein. Wolfer würde nicht zulassen, dass ein anderer sie ihm wegnahm.
Unglücklicherweise konnte er jetzt gleich noch nichts unternehmen, er hatte ja zu diesem von den Göttern verdammten Strand hinunterzukommen.
Aber trotzdem musste er unbedingt mit ihr reden. Nachdem das Frühstück beendet war und die Brüder, die Küchendienst hatten, den Tisch abräumten, gelang es Wolfer, Alys bei der Hand zu nehmen und sie in den nächstgelegenen Raum zu ziehen, eine Kammer, in der die Möbel aus dem früheren Esszimmer abgestellt waren.
»Was gibt es denn?«, flüsterte sie. Sie war neugierig, was er so dringend mit ihr zu besprechen hatte, obwohl er sofort aufbrechen sollte.
»Willst du …« Wolfers Handflächen waren schweißfeucht, er wischte sie hastig an seiner Hose ab. Er wusste nicht, ob er vor ihr niederknien sollte oder nicht, beschloss aber, damit keine Zeit zu verschwenden. Jeden Moment konnten sie von einem seiner Brüder gestört werden. »Äh … würdest du mir die große Ehre erweisen ….«
Hinter ihm wurde die Tür aufgerissen, und sein Zwillingsbruder steckte den Kopf in den Raum. »Zum Strand, Wolfer. Sofort!«
» Bei Jingas Eiern! «, entfuhr es Wolfer. Alys’ Augen wurden groß, als er zu Saber herumfuhr. »Was müssen wir eigentlich tun, um uns ein Mindestmaß an Privatsphäre zu verschaffen?«
Sein Zwilling zwinkerte und quittierte Wolfers Ausbruch mit einem Heben der dunkelgoldenen Brauen. Seine stahlgrauen Augen wanderten zu den nebelgrauen der anderen Person im Raum. Saber schüttelte seufzend den Kopf. »Dafür hast du später noch reichlich Zeit, Wolfer. Wenn die Händler wieder weg sind.«
Sein Bruder gab ein frustriertes Knurren von sich, das sich direkt an die Quelle der unerwünschten Störung richtete.
»Jetzt lass es gut sein, Wolfer!«, fauchte Saber, dabei funkelte er seinen Zwilling finster an. » Ich muss meine Frau auch allein lassen, um mich mit den Händlern zu befassen. Warum soll es dir besser gehen als mir?« Er öffnete die Tür weiter – die personifizierte Ungeduld, die darauf wartete, dass sein Bruder seinen Pflichten nachkam.
Missmutig stapfte Wolfer aus der Kammer. An der Tür blickte er sich noch einmal zu Alys um und knurrte erneut, was er in Abständen auf dem ganzen Weg zum westlichen Hof wiederholte, wo er neben Trevan in die Kutsche stieg. Saber nahm hinter ihnen Platz, wurde mit einem neuerlichen Grollen bedacht, dann setzte Trevan die Kutsche in Bewegung, fuhr vom Hof herunter und schlug die Straße zum Strand ein.
Auf halber Strecke, auf einer ebenen Stelle der westlichen Straße, tippte Saber den Fünftgeborenen an. Trevan nahm den Fuß vom Antriebshebel und hielt die Kutsche an, die die Brüder mit einem Zauber belegt hatten, um auf der pferdelosen Insel ein Transportmittel zu haben.
Die morgendlichen Geräusche des Dschungels umgaben sie: im Wind raschelnde Blätter, surrende Insekten, zwitschernde Vögel... und ein Wolfsknurren.
Saber starrte seinen Zwilling finster an. »Würde es dir etwas ausmachen, damit aufzuhören?«
»Ja, verdammt!« Wolfers Temperament ging mit ihm durch. »Ich wollte ihr einen Antrag machen! – Und du hältst dich besser von ihr fern und behältst deinen Schwanz in der Hose, oder bei den Göttern, Trevan, ich reiße ihn dir ab und stopfe ihn dir in den Rachen!«
Trevan legte angesichts dieser Tirade den kastanienbraunen Kopf zur Seite, musterte seinen älteren Bruder eine lange Weile, drehte sich dann um und beäugte Saber, der hinten in der Kutsche saß, neben den wenigen magischen Gegenständen, die die Brüder, von der Prophezeiung des Unheils und seiner Folgen abgelenkt, in den letzten beiden Wochen angefertigt hatten. Dann schüttelte er seufzend den Kopf. »Es ist nur sexueller Frust. Das geht vorüber, wenn die beiden etwas Zeit füreinander haben.«
Wolfer warf den Kopf in den Nacken und machte seiner hilflosen Wut in einem lauten Heulen Luft. Dann knurrte er, funkelte seine Brüder an und fletschte die Zähne. Die Adern an seinem muskulösen Nacken traten hervor, als er brüllte: »Genau – das – ist – der – springende – Punkt!«
Trevan schielte zu ihm hinüber. »O je, haben wir heute eine Laune.«
Wolfer fuhr herum und sprang mit einem Satz aus der Kutsche. Er hatte schon Wolfsgestalt angenommen, noch ehe seine Pfoten den Boden berührten. Knurrend brach er durch das Unterholz und schnürte
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