Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)
Wolfer war errötet, aber nicht aus Verlegenheit, sondern vor Ärger. »Ich hätte deinem Mann zur Hochzeit einen Knebel schenken sollen!«
»Und ich denke daran, dir einen Maulkorb zu überreichen«, schoss Kelly zurück – mit zuckersüßer Stimme, doch sie biss dabei die Zähne zusammen und stemmte die Hände in die Hüften.
Alys funkelte sie an. »Sprich nicht so mit meinem Wolfer!«
Wolfer blinzelte. Freude darüber, dass sie ihn so feurig verteidigte, stieg in ihm auf.
Alys hob das Kinn und fuhr mit fester Stimme fort: »Das ist allein meine Sache.«
Kelly, deren Stimmung augenblicklich umschlug, prustete vor Lachen. »Du ahnst ja gar nicht, wie sehr ich die Gesellschaft anderer Frauen vermisst habe!«
Auch Alys begann zu kichern. Die beiden Männer wechselten stirnrunzelnd einen Blick. Keiner verstand, was die Frauen meinten. Kopfschüttelnd nahm Wolfer Alys das Nähzeug vom Schoß, warf es auf die Bank unter dem Fenster und zog sie von ihrem Stuhl hoch. »Macht euch nicht über mich lustig. Keine von euch!«
Er schwang Alys in seinen Armen durch die Luft, was ein hohes Quieken zur Folge hatte. Auch Kelly erhob sich und musterte die beiden aus schmalen Augen.
»Darf man fragen, wo du jetzt mit ihr hin willst?«, erkundigte sie sich argwöhnisch, als er auf die Tür zusteuerte.
Wolfer blieb stehen und bedachte sie mit einem wölfischen Lächeln. »Was glaubst du denn, wo wir hingehen und was wir im Sinn haben?«
» Ich musste bis zu meiner Hochzeitsnacht warten.« Kelly sah Evanor unterstützungsheischend an. »Ist es bei euch nicht üblich, erst in der Hochzeitsnacht miteinander …«
Evanor schüttelte den blonden Kopf, während Wolfer mit der errötenden Alys in den Armen die Nähkammer verließ. »Natürlich nicht«, klärte er sie auf. »Wenn Vorkehrungen getroffen wurden, um eine unerwünschte Empfängnis zu verhindern, und beide Beteiligten über sechzehn sind und aus freiem Willen handeln, spricht nichts dagegen, dass sie miteinander schlafen. In Katan muss man nur unbedingt das Recht des anderen respektieren, Nein zu sagen.«
»Aber warum musste ich dann warten?« Kellys Miene verfinsterte sich zusehends.
»Weil die körperliche Liebe zwischen dir und Saber unweigerlich das prophezeite Unheil nach sich ziehen sollte«, gab Evanor in seinem seidenweichen Tenor zurück, dann fuhr er mit dem Zuschneiden des Stoffes fort. Sogar bei einer Tätigkeit, die viele Menschen in ihrer alten Welt als ˒weibisch˓ betrachteten, wirkte er ausgesprochen maskulin – wie alle seine Brüder auch. »Wir haben beschlossen, dass ihr zwei besser warten solltet, bis wir bereit waren, uns dem Unheil zu stellen, das als umgehende Folge eurer Liebe angekündigt war … na ja, alles Weitere weißt du ja. Es ging nicht nur darum, ein Fest zu planen, Geschenke anzufertigen und die Hochzeitskleider zu schneidern.«
»Aha, und dafür sollte ich doppelt so viel Vergnügen dabei haben – oder noch mehr – wenn ich schon so lange warten musste«, versetzte sie trocken.
Evanor grinste. »Möchtest du, dass ich deinem Mann diese Bemerkung übermittele?«
Kelly überlegte drei Sekunden lang, dann nickte sie hoheitsvoll. »Ja, unbedingt. Und bitte ihn, mehr graue Seide aufzutreiben, wenn du so nett wärst. Ich weiß nicht, ob das, was wir haben, reichen wird. Ob sie nun auf ihre Hochzeitsnacht warten oder nicht, wir beide werden sie für die Zeremonie in zwei Wochen angemessen ausstatten.«
NEUNTES KAPITEL
A lys spürte, wie Wolfers Herz in seiner Brust schlug. Er fühlte sich wunderbar warm an, und Kata sei Dank, sie durfte endlich das tun, wonach sie sich so lange gesehnt hatte, und ihn berühren. Von der Nähkammer bis zu seinen Räumen war es nicht weit, beide lagen im Westflügel. Er nahm die südliche der beiden Abzweigungen, trug sie zur Tür seiner Wohnstube und versuchte, mit einer Hand den Knauf zu drehen.
Seine vergeblichen Bemühungen rührten sie und bewogen sie, selbst nach dem Knauf zu greifen. Mit dem Absatz seines Stiefels stieß er die Tür hinter ihnen zu, und sie waren allein. Mehr oder weniger.
Wolfer holte tief Luft, aber nicht, um mit der Frau in seinen Armen zu sprechen. » Evanor! «
Während Alys eine Braue hob, erklang die Stimme des Familiensprachrohrs in seinem Ohr. » Ja, Wolfer? «
» Zweierlei. Erstens: Sieh während der nächsten … sagen wir, drei Stunden davon ab, mir irgendeine Botschaft zu übermitteln, es sei denn, es geht um Leben und Tod. Und zweitens: Hör sofort auf zu
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