Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)
haben Donnock mit einem Zauber belegt, der bewirkt, dass er nie wieder hierher zurückkehren kann, und den Seeleuten befohlen, ihn auf das Schiff zurückzubringen«, berichtete Evanor. »Dank Wolfers unberechenbarem Temperament ist er scheinbar im Moment bewusstlos.«
Alys entspannte sich ein wenig, beugte sich über ihre Näharbeit und vermied es, die beiden anderen anzusehen. Sie wusste, wie übel es ihre beiden Onkel aufnehmen würden, was mit Donnock geschehen war. Sobald sie alles herausgefunden hatten, würden sie hier auf Nightfall ernsthafte Probleme bekommen. Aber sie verdrängte den Gedanken energisch, konzentrierte sich auf ihre Arbeit und versuchte, sich an den Gedanken zu klammern, dass es noch einige Zeit ruhig und friedlich auf der Insel bleiben würde.
Doch dann würde Krieg über Nightfall hereinbrechen, ob die Brüder es nun wollten oder nicht … und das war zum Teil ihre Schuld.
Sie hatte einen Ärmel fast fertig, als die Tür plötzlich aufflog. Alys stieß einen Schreckenslaut aus und zuckte so heftig zusammen, dass sich die Nadel in ihren Finger bohrte. Aber es war nur Wolfer. Mit Tränen in den Augen zog Alys die Nadel heraus und steckte den Finger in den Mund.
Wolfer, der auf der Schwelle stehen geblieben war, sah es und verwünschte sich stumm. »Verzeih mir – ich wollte nicht … es tut mir leid, dass ich dich erschreckt habe, Alys.«
Alys funkelte ihn über ihre Hand hinweg an und nuschelte mit dem pochenden Finger im Mund: »Daf follte ef auch, Woffer!«
Die beiden anderen im Raum beäugten das Paar neugierig. Evanor und Kelly schienen für die zwei nicht mehr zu existieren, obwohl sie kaum einen halben Meter von ihnen entfernt in der länglichen Nähkammer saßen. Ohne auf seinen Bruder und seine Schwägerin zu achten trat Wolfer zu Alys. Ihr Stuhl stand direkt außerhalb des Sonnenlichts, das durch das Fenster fiel, sodass sie genug Licht zum Nähen hatte und die hineinwehende kühle Brise genießen konnte. Er ließ sich auf ein Knie sinken und streckte die Hände aus, um sie zu berühren, dann zögerte er.
Jetzt, wo er sie vor sich sah, konnte er nicht glauben, dass seine süße, sanfte Alys etwas mit den Schwierigkeiten zu tun hatte, die ihn und seine Brüder seit ihrer Ankunft auf Nightfall plagten. Nein, ich weiß, dass sie unschuldig ist. Ihr Onkel vielleicht nicht, aber Alys hat nichts getan. Daran hege ich nicht den geringsten Zweifel. Er blickte in ihre weichen grauen Augen – die sich im Moment in dem halbherzigen Versuch, wütend zu glühen, verengten – und wusste, dass sie ihm und seinen Brüdern niemals Schaden zufügen würde. Nicht wissentlich. Nicht absichtlich.
Er griff nach ihrer verletzten Hand und zog den Finger aus ihrem Mund. Eine kurze Untersuchung ergab, dass er nicht mehr blutete; die Nadel hatte nur einen kleinen roten Punkt hinterlassen. Er hob die Hand zu seinen Lippen und küsste sie. »Alys, willst du mich heiraten?«
Vergessen, aber immer noch anwesend spürte Kelly, wie ihr der Mund offen stehen blieb. Dann krümmten sich ihre Lippen zu einem zufriedenen Lächeln. Sie schielte zu Evanor, dessen blonde Brauen in die Höhe geschossen waren und in dessen Gesicht sich eine Mischung aus Freude und einem belustigten, resignierten ⊃Das musste ja so kommen⊂-Ausdruck widerspiegelte. Sie tauschten ein leises Grinsen, als die errötende lockenköpfige Empfängerin des Antrags nach Worten suchte.
»Wolfer … ich … äh … du … äh …«, stammelte sie.
Wolfer küsste ihren Finger erneut, diesmal auf die Spitze, nicht auf die Seite, wo die Nadel sie gestochen hatte. Dann küsste er zwischen seinen nächsten Worten einen ihrer restlichen Finger nach dem anderen. »Ich glaube … dass du … mein Schicksal bist, Alys.« Er drehte ihre Hand um und küsste die Innenfläche. »Heirate mich.« Seine Lippen streiften ihr Handgelenk. »Heirate mich.« Er hob ihre andere Hand und küsste die Knöchel. »Heirate mich.« Jede mit tiefer, klangvoller Bassstimme vorgebrachte Bitte schien direkt vom Grund seiner Seele zu kommen. »Heirate mich.«
»Oh, Wolfer …« Alys löste ihre Hände behutsam aus den seinen und umschloss damit sein Gesicht. Er barg die Wangen in ihren Handflächen und genoss das Gefühl ihrer warmen Haut auf der seinen. Alys hob seinen Kopf an, sodass er sie ansehen musste. Einen Moment lang keimte Furcht in ihr auf. Sie mahnte sich, auf den Rat zu vertrauen, den Morganen ihr im Lauf der letzten Jahre immer wieder gegeben hatte, und
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