Der Kuss Im Kristall
doch, für McHugh, oder?“
Er wusste es? Damit er ihre Beunruhigung nicht merkte, wandte sie sich zum Schrank und versuchte zu überlegen, ob sie Whiskey hatte. Ihr wurde klar, dass das ein Fehler gewesen war, als sie hörte, wie die Tür zufiel und der Riegel vorgeschoben wurde. Ein eiskalter Schauer überlief sie.
Als sie sich wieder umdrehte, stand er am Tisch und hob die Tarotkarten hoch. „Haben Sie sich je selbst die Karten gelegt, meine Liebe?“
„Nein, Sir Martin. Es ist alles Unsinn, meinen Sie nicht?“
„Ja, richtig.“ Er ließ die Karten auf den Tisch fallen und blickte Alethea an. Auf seinem Gesicht lag ein entspanntes Lächeln. „Aber sehr unterhaltsamer Unsinn. Über die Affäre um Bebe Barlow habe ich so sehr gelacht, dass ich dachte, mich würde der Schlag treffen. McHugh war so weit.“
„Sie wussten es – damals schon?“
„Ich weiß es seit Monaten.“
„Monaten?“ Dann hatte er es gewusst, ehe Tante Henrietta ermordet wurde? „Wie sind Sie darauf gekommen?“
„Das war wirklich einfach. Es war nicht schwer, Madame Zoes Salon zu finden. Ich musste nur jemanden suchen, der eine Verabredung mit ihr hatte, und ihm folgen.“
„Aber warum?“
Das wie eingefroren wirkende Lächeln auf Sir Martins Gesicht machte ihr Angst, denn es wirkte so, als hätte er es nur um der Höflichkeit willen aufgesetzt. Eine leise Stimme riet ihr, ihn nicht herauszufordern. Wenn es stimmte, was sie vermutete, dann musste sie nun sehr vorsichtig sein. „Wo ist der Whiskey, Miss Lovejoy?“
Sie öffnete den kleinen Schrank, nahm die Flasche Portwein heraus, die sie für McHugh besorgt hatte, und goss zwei Teetassen halb voll. Eine trug sie zusammen mit der Flasche zu Sir Martin und versuchte dabei, einen unbesorgten Eindruck zu vermitteln.
„Wenn Sie es wussten, Sir Martin, warum haben sie es mir nicht schon vorher erzählt?“
„Weil, Miss Lovejoy, ich immer noch hoffte, dass Ihr gesunder Menschenverstand stärker sein würde als Ihre Leidenschaften. Ich dachte, ich könnte alles gewinnen, wenn Sie mich heiraten.“
„Alles?“, wiederholte sie und tat so, als würde sie trinken.
„McHugh“, wiederholte er, als würde das alles erklären.
„Sie wollten mich, weil McHugh mich wollte?“
„Er nahm immer, was ich wollte. Warum sollte ich mir nicht einmal nehmen, was er wollte?“
„Was wollten Sie, Sir Martin?“
„Maeve. Die kleine Maeve Mac Guire. Von dem Moment an, da sie ihre Röcke raffte, um uns hinterherzulaufen, gehörte ihr mein Herz.“
„Aber sie liebte Rob McHugh“, vollendete Alethea seine Gedanken. Es fiel ihr nicht schwer, sich vorzustellen, wie anziehend ein dunkelhaariger, strahlender Abenteurer auf ein empfindsames junges Mädchen wirken musste. War sie nicht selbst ihm verfallen?
„Ihn? Nein. Sie liebte mich. Aber der alte Lord Glenross und Liam Mac Guire vereinbarten eine Verlobung, als die Kinder noch in den Windeln lagen. Obwohl sie keinen Titel besaß und er weitaus bessere Möglichkeiten hatte. Ihre Ländereien grenzten aneinander“, meinte er. „Und die Väter waren Waffenbrüder aus dem Kolonialkrieg. Liam rettete dem alten Lord das Leben, und das war McHughs Art, es ihm zu danken.“
Alethea runzelte die Stirn. Maeve liebte Sir Martin? Nein, das musste er sich eingebildet haben. „Aber Sie sagten, es wäre eine Liebesheirat gewesen. Dass McHugh sie anbetete.“
Sir Martin lachte und hob seine Teetasse. Nachdem er einen großen Schluck getrunken hatte, schenkte er sich nach und blickte zu Alethea hoch. „Ja, das sagte ich. Darauf war ich ziemlich stolz. Ich dachte, diese Lüge würde Sie daran hindern, ihm zu nahe zu kommen.“
Sie erinnerte sich an die geheimnisvollen Gespräche und schüttelte den Kopf. „Und seine Unfähigkeit zu …“
Er lachte wieder. „Gute Idee, was? Das war, ehe ich Sie beide in der Kammer zusammen entdeckte und realisierte, dass Sie die Wahrheit vermutlich inzwischen erfahren hatten. Trotzdem versuchte ich, Sie zu warnen.“
„Er liebte Maeve nicht?“
Sir Martin schüttelte den Kopf. „Er war nicht grausam, falls man Gleichgültigkeit nicht als Grausamkeit ansehen möchte, aber er liebte sie nicht. Selbst als sie das Kind eines anderen als Erbe der Glenross zur Welt brachte, ließ er sich nicht von ihr scheiden. Er erkannte das Kind als seines an, weil er sich die Schuld daran gab, dass er ihre Treue nicht für sich gewinnen konnte. Aber Maeve dachte nur, dass er nicht genug für sie empfand, um seine Ehre zu
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