Der Kuss Im Kristall
der dort nicht hingehörte. Mit dem Schlüssel in der einen Hand, mit der anderen am Türknauf, blieb Rob vor seinem Hotelzimmer stehen. Die kleinen Härchen in seinem Nacken stellten sich auf.
Es war unwahrscheinlich, dass der Dey ihm Männer hinterhergeschickt hatte. Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Und lieber würde er im Kampf sterben, als noch einmal die „Gastfreundschaft“ des Dey in Anspruch zu nehmen. Wochenlang war er nackt in einer Kiste eingeschlossen gewesen, die so klein war, dass er keine Hand rühren konnte, in seinem eigenen Schmutz, frierend in der Nacht und schwitzend am Tage. Ein guter Tag war es gewesen, wenn jemand aus Mitleid schmutziges Wasser über die Kiste gegossen hatte und ein paar Tropfen durch die Ritzen geflossen waren, um seinen schmerzenden Körper zu kühlen. An die schlechten Tage vermochte er sich noch nicht zu erinnern – an die Stunden, in denen er in einem feuchten Verlies an die Wand gekettet und ausgepeitscht worden war, während man ihm Fragen nach Informationen in die Ohren geschrieen hatte.
Aber er hatte noch Schlimmeres erlebt. Viel Schlimmeres. Ihm wurde übel, und Schweiß trat ihm auf die Stirn. Nein. Damit würde er sich später beschäftigen. Noch war er dazu nicht bereit.
Er holte tief Luft und drehte den Türknauf herum. Geräuschlos gab er nach. Die Tür war nicht verschlossen. Er war absolut sicher, dass er sie verschlossen hatte, ehe er zu Mrs. Forbushs Soiree ging.
Er bückte sich und zog einen Dolch aus seinem Stiefel. Diesmal würden sie ihn nicht lebend erwischen. Ein rascher Blick den Gang hinunter überzeugte ihn, dass er allein war.
Er umfasste den Dolch mit der Rechten und drückte die Tür auf. Ein matter Schein vom Kamin her verbreitete gerade genug Licht, um die Umrisse der Möbel auszumachen. Dann erregte eine Bewegung seine Aufmerksamkeit, die aus der Richtung des Stuhls gegenüber dem Kamin kam.
Jeder seiner Muskeln war angespannt, als er weiterschlich. Mit angehaltenem Atem näherte er sich von hinten dem Stuhl, wohl wissend, dass der leichteste Luftzug genügen würde, um einen erfahrenen Dieb oder einen ausländischen Meuchelmörder in Alarmbereitschaft zu versetzen. In der Überraschung lag sein größter Vorteil.
Als er den Stuhl erreicht hatte, riss er den Kopf des Mannes zurück und presste ihm den Dolch an die Kehle, ehe der andere reagieren konnte. „Wer sind Sie?“, zischte Rob ihm ins Ohr.
„Himmel, Robbie! Ich bin’s, Douglas! Kennst du mich nicht mehr?“
Rob zog den Arm zurück und ließ seinen Bruder los. Die Knie wurden ihm weich vor Erleichterung. „Douglas! Was machst du denn hier?“
„Ich habe die Nachricht von Travis erhalten und bin seither immer einen Schritt hinter dir gewesen. Ich dachte, jetzt warte ich einfach dort auf dich, wo du wohnst. Ich habe das Mädchen überredet, für mich aufzuschließen.“
Rob wollte lieber nicht wissen, womit sein Bruder das Mädchen bestochen hatte. Douglas wusste, mit Frauen umzugehen, und hatte niemals Schwierigkeiten, von ihnen das zu kriegen, was er wollte. Rob schob den Dolch zurück in seinen Stiefel, als Douglas aufstand und ihn umarmte.
Gleich darauf löste sich sein Bruder, verlegen über diese Zurschaustellung von Gefühlen, von ihm und trat einen Schritt zurück. „Verdammt, Rob, sag mir, dass du nie wieder ins Ausland reist. Das halte ich nicht aus.“
„Ich werde es nicht tun“, versprach Rob. „Ich bin gekommen, um zu bleiben.“
„Das ist gut. Ich bin als Gutsherr nicht sonderlich talentiert.“ Douglas lief zum Sekretär und holte Robs Flasche mit Scotch heraus. Er schenkte sich selbst nach und füllte auch ein Glas für Rob. „Auf die Rückkehr des McHugh!“
Weder in Algier noch in dem Regierungskrankenhaus, in dem er seit seiner Rückkehr gewesen war, hatte es Whisky gegeben. Rob nahm einen großen Schluck, sehnte sich nach der Glut und der angenehmen Trägheit, die ihn erfüllen würde, sobald der Whisky seine Wirkung tat. Vielleicht würde er heute endlich einmal schlafen können. „Auf Douglas McHugh und seine schöne Dame.“
„Ah. Du hast es also gehört?“ Douglas grinste und ließ sich auf den Stuhl zurücksinken. „Sie ist ein Engel. Rob. Ich verdiene sie gar nicht.“
„Ich habe Miss Barlow im letzten Jahr kennengelernt. Sie ist reizend, Douglas. Sie wird dir schöne Kinder schenken. Denk daran, dass das erste ein Junge sein sollte, wegen des Titels.“ Rob fragte sich, warum sein Bruder ausgerechnet Bebe Barlow
Weitere Kostenlose Bücher