Der Kuss
sich dem Gespräch zu stellen.
„Alles gut.“ Er machte eine wegwerfende Geste und sein Herz raste. Er fühlte sich ertappt, obwohl sie keine Ahnung hatte. Michael setzte ein Lächeln auf, das ungezwungen aussehen sollte, ahnte jedoch, dass sie es ihm keine Sekunde lang abkaufte. Seine Mutter schaute ihn durchdringend an, schien auf ein Geständnis zu warten.
„Ist das irgendwie eine psychologische Verhörmethode?“, wehrte er sich verunsichert gegen ihre auffordernden Blicke.
„Du weißt sehr genau, was ich wissen möchte“, taktierte sie und setzte ihr entblätterndes Starren fort. Michael schwankte. Wusste sie vielleicht
doch B
escheid, oder ahnte etwas? Er überlegte krampfhaft, ob er sich durch irgend etwas verraten hatte. Seine Ohren glühten.
„Wie heißt sie? Wie alt ist sie? Was macht sie? Wer sind ihre Eltern? Hat sie Geschwister? Auf welche Schule geht sie?“, bombardierte sie ihn schließlich mit Fragen.
Michael schnaubte und verdrehte die Augen. Eine Weile fixierte er den halb leer gegessenen Teller. Sie würde keine Ruhe geben, solange er sie nicht hinreichend mit irgend welchen Informationen fütterte. Er stöhnte genervt auf und tat so, als ließe er sich nun doch dazu hinreißen, sie ins Vertrauen zu ziehen.
„E…
Sie
heißt Lu…dmilla.“ Verdammt! Hätte er sich nicht einen noch unrealistischeren Namen einfallen lassen können? Michael war kein guter Lügner. Der Weg, den er nun eingeschlagen hatte, würde noch abenteuerlich werden
„
Ludmilla?
“, fragte seine Mutter mit hundert Fragezeichen im Gesicht. Sie roch die Lüge vier Kilometer gegen den Wind – was in diesem Fall allerdings keine besondere Herausforderung war.
„Ja, aber alle nennen sie nur
Lu.
Ihre Eltern sind so peinliche Intellektuelle“, fügte Michael rasch hinzu. Das war ja gerade noch mal gut gegangen. „Sie ist so alt wie ich und hat schon ihre eigene Wohnung.“ Er blickte seine Mutter triumphierend an. Sie sollte nur sehen, dass es auch anders ging, er auch schon ausgezogen sein könnte.
„Ihre eigene Wohnung? Mit
Siebzehn?“,
murmelte seine Mutter ungläubig, „So wie Lukas, unser Nachbar?“
Michael zuckte zusammen, unanständige Bilder flitzten vor seinem inneren Auge vorbei. Nur nichts anmerken lassen! Sein Bauch kribbelte nervös und er nickte rasch.
„Ich dachte, ihre Eltern wären Akademiker und keine
Asozialen.“
Das saß! Michael schnappte empört nach Luft und ballte die Hände zu Fäusten.
„Wieso asozial?“, schnaufte er entgeistert, und sein Herz pochte so verdammt heftig, dass es wehtat. Seine Mutter lachte abschätzig und schüttelte den Kopf.
„Also bitte, Eltern, die ihr Kind mit siebzehn in einer eigenen Wohnung leben lassen … Da fragt man sich schon, was da im Argen liegt!“
Michael starrte seine Mutter mit brennenden Wangen an, sein Bein wippte heftig, jeder Muskel war angespannt. Adrenalin schoss ihm bis unter die Haarwurzeln.
„Sieh dir mal an, wie der Junge aussieht“, fuhr sie alarmiert fort, „Wie so ein kleiner Super-Macho aus dem Ghetto, – lungert immer unten am Spielplatz herum und raucht. Ich hab gesehen, dass er Bier trinkt – die leeren Dosen kullern überall im Gras 'rum. Ehrlich, ich bin so froh, dass du nicht mehr mit ihm abhängst, ich hatte dabei immer ein mulmiges Gefühl. Hat er nicht erst diese Woche, einfach so, deinen Totenkopf zertrümmert? Bei dem kriminellen Potential fragt man sich schon, was da alles schief gelaufen ist …“
Michaels Fäuste zitterten, sein Magen verkrampfte sich, er schnaufte wütend durch die Nase und knirschte mit den Zähnen.
„Gnnaaaargh! Hör auf damit! Sei endlich still!“, schrie er und sprang dabei so hastig auf, dass der Stuhl nicht nur rückwärts kippte, sondern sogar noch über die Fliesen schleuderte.
Michaels Mutter wich erschrocken zurück, starrte ihren Sohn entsetzt an und plapperte beschwichtigend drauflos:
„Ich nehme aber an, deine Freundin –
Lu
– ist nicht so verwahrlost. Ihre Eltern haben sicher …“
„Aufhören, hab ich gesagt!“,
spie Michael und trat so heftig gegen den Tisch, dass dieser fast einen Meter zur Seite rumpelte. Dabei kippte sowohl das Glas mit Orangensaft, als auch die noch halbvolle Packung um, beide versauten das Tischtuch. Der Teller verrutschte, blieb aber knapp an der Kante stehen und schwankte gefährlich. Das machte seine Mutter nervös, und sie starrte zwischen diesem und Michael gehetzt hin und her.
„Nun reg dich doch nicht so auf. Was hab ich
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