Der lächelnde Henker
verschwunden, und ich hätte ihn erst noch lange suchen müssen. Also kümmerte ich mich um die Frau. Von der Frontscheibe war nichts mehr zu sehen. Der schwarze Henker hatte sie zertrümmert. Die unzähligen Glasteile waren unter dem Hieb der Axt nach innen gefallen und wie ein scharfes Schneegestöber der Frau entgegengeflogen.
Ich sah sie im Sitz zusammengesunken. Sie hielt ihre Hände gegen das Gesicht gepreßt und kümmerte sich auch nicht darum, als ich die Fahrertür des Fords aufzog.
Ich beugte mich in den Wagen hinein, nahm ihr die Hände vom Gesicht ab, was sie auch völlig willenlos mit sich geschehen ließ. In der Gesichtshaut steckten die Splitter. Wo sie das Fleisch getroffen hatten, sah ich die roten Punkte. Das Blut war aus den winzigen Wunden gequollen, hatte sich zu dickeren Tropfen gesammelt, die nach unten rannen und ein Muster auf der Haut der Frau hinterließen. Sie mußte in ärztliche Behandlung, soweit ich das feststellen konnte. Gut, daß ich den Henker hatte laufenlassen, andererseits lief ich nun Gefahr, daß die Bestie mordend durch London lief.
Während ich kehrtmachte und zu meinem Wagen zurücklief - ich hatte dort Telefon -, schossen mir zahlreiche Gedanken durch den Kopf. Natürlich ärgerte ich mich maßlos, daß mir der schwarze Henker entwischt war. Zu meiner Entschuldigung mußte ich jedoch anführen, daß ich einfach zu überrascht gewesen war. Ich hatte mit dem Auftauchen dieser schrecklichen Gestalt nie im Leben gerechnet, was sich auch an meinen Reaktionen widerspiegelte, denn nicht umsonst hatte ich vorbeigeschossen.
Eigentlich gab es nur einen Grund, weshalb der schwarze Henker in London erschienen war. Er wollte Rache!
Nur an mir? Ich dachte auch an Glenda. Sie war mit mir in Pitlochry gewesen und hatte sich in den Klauen des Henkers befunden. Allerdings war sie ihm entkommen, vielleicht wollte er seine Tat von damals jetzt nachholen.
Glenda mußte für eine Weile verschwinden. So lange, bis ich das Ungeheuer gestellt hatte.
Aber zuvor brauchte ich den Arzt. Ein Anruf reichte. Zudem machte ich noch Druck, stellte dar, wie dringend der Fall lag, und war sicher, daß ein Doc erscheinen würde.
Dann drückte ich mich wieder aus dem Bentley und ging die Strecke zurück. Trotz des schlechten Lichts war zu sehen, wo die Silberkugeln eingeschlagen hatten. Munitionsverschwendung. Mir stieg fast die Galle hoch.
Der Henker war entkommen, daran gab es nichts mehr zu rütteln. Ich konnte mich nur als zweiten Sieger bezeichnen.
Die Frau lag im Sitz und stöhnte. Ich schaute mir noch einmal ihr Gesicht an. Zum Glück hatte sie keine Splitter in die Augen bekommen. Wahrscheinlich war es ihr gelungen, sie im letzen Augenblick noch zu schließen.
»Der Arzt kommt jeden Moment«, redete ich beruhigend auf die Verletzte ein. »Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen mehr zu machen.«
»Es… es brennt so«, flüsterte sie.
»Auch das geht vorbei. Bleiben Sie bitte ruhig sitzen.«
»Ja, Mister…« Sie schluckte, verzog ihren Mund und fragte dann: »Wer war es? Er sah schrecklich aus. Eine Horror-Gestalt, grauenhaft. Ich kann nicht…«
»Reden Sie nicht mehr, Madam. Es ist vorbei, das verspreche ich Ihnen.«
»Haben Sie mich gerettet?« flüsterte sie.
»Nein, Madam. Ich kam leider ein wenig zu spät. Der Arzt wird Ihnen eine Spritze geben und die Splitter entfernen. Es bleibt nichts mehr zurück, glauben Sie mir.«
Da war sie beruhigt, sprach auch nicht mehr und blieb liegen, wobei sie die Hände geballt hatte.
Ich wartete auf den Arzt. Wie immer, wenn man wartet, geht die Zeit viel zu langsam herum. So kam es mir auch hier vor, und ich atmete auf, als ich eine Sirene hörte, die jedoch ausgestellt wurde, bevor der Notarztwagen in die Tiefgarage fuhr.
Nur sein Licht rotierte auf dem Dach des hohen Kastenwagens und warf einen geisterhaft blauen Schein durch die Weite der Garage. Ich wartete so lange, bis der Arzt seine Pflicht erfüllt hatte. Die Frau hatte eine Spritze bekommen, war auf eine Trage gelegt und vorsichtig in den Wagen gebettet worden.
Ich gab dem Doc zu verstehen, daß ich für irgendwelche Fragen noch zur Verfügung stehen wollte, meine Personalien hatte er von mir bekommen.
Er war einverstanden.
Dann schaute ich dem Wagen nach, wie er die Tiefgarage wieder verließ. Obwohl die Frau verletzt worden war, atmete ich dennoch auf. Der Henker hätte sie auch töten können. Wahrscheinlich war Moro ebenfalls durch meinen Widerstand durcheinander gewesen, so
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