Der lächelnde Henker
daß er die Frau nur in diesen gefährlichen Schrecken versetzt hatte. Meinen Bentley ließ ich unten stehen und ging zum Lift. Ich wollte zunächst in meine Wohnung hochfahren. Auf dem Flur begegnete mir Shao, Sukos Freundin. Aus großen Augen schaute sie mich an. »Du hier, John?«
»Ja.«
»Was ist geschehen?«
Ich hob die Schulter. Shao trug eine Basttasche. Wahrscheinlich wollte sie etwas einkaufen. »Ich bin von dem schwarzen Henker angegriffen worden«, erklärte ich.
»Wer ist das denn?«
Da fiel mir ein, daß Shao ihn nicht kannte. Sie und Suko hatten sich erst später gefunden. »Ein dämonisches Wesen, das ich mal in Schottland gestellt habe.«
»Und der ist zurückgekehrt?«
»So ist es.«
Shao stellte keine weitere Fragen nach dem Grund. Sie kannte auch die Spielregeln der Dämonen, aber sie erkundigte sich, wie das geschehen konnte.
»Da bin ich leider überfragt. Moro ist eine Bestie, Shao, und er hat es wohl auf mich abgesehen.«
»Aber wir sind trotzdem alle in Gefahr.«
»Das kann ich nicht leugnen.«
»Dann seht zu, daß ihr ihn stellt, John. Bitte…«
Ich streichelte ihre Wange. »Machen wir, Shao, das verspreche ich dir.«
Wenig später hatte ich aufgeschlossen und war in meiner Wohnung verschwunden.
Ich betrat die Räume mit gemischten Gefühlen, vorsichtig und die Hand an der Pistole.
Es war unnötig. Keiner lauerte mir auf, auch nicht der schwarze Henker. Unangefochten ging ich zum Telefon und tippte die Nummer meines Büros.
Suko hob schnell ab.
»Ich bin es, Alter«, sagte ich.
Suko zeigte sich überrascht. »He, von wo aus rufst du an.«
»Aus meiner Wohnung.«
»Bist du noch nicht unterwegs?«
»Nein, ich werde auch nicht nach Schottland fahren. Der schwarze Henker hat dafür gesorgt. Er ist nämlich hier!«
Da hatte ich meinem Freund und Kollegen eine faustdicke Überraschung serviert. Suko erwiderte erst einmal nichts. Ich hörte ihn nur atmen. Danach räusperte er sich, bevor er fragte: »Wie ist das möglich?«
In Stichworten berichtete ich ihm, was mir widerfahren war. Der Chinese konnte es kaum begreifen, stimmte mir allerdings zu, als ich von der Gefahr sprach, die sich als unsichtbarer Ring um uns gelegt hatte.
»Ich nehme an, Suko, daß er sich an mir rächen will. Zudem wird er Glenda auch töten wollen. Sorg dafür, daß sie in Sicherheit gebracht wird. Sie hat doch auf dem Lande eine Tante. Da kann sie so lange hinziehen, bis wir den Henker gestellt haben.«
»Ich werde es ihr sagen. Aber hundertprozentig ist die Sicherheit nicht, John.«
»Das weiß ich. Allerdings rechne ich damit, daß Moro sich zuerst auf mich konzentrieren will und Glenda vorerst aus dem Spiel läßt. Das kann ihr Vorteil sein.«
Suko zeigte sich einverstanden. »Hast du schon dem Alten Bescheid gesagt?«
»Nein, noch nicht.«
»Und weitere Pläne?«
Leider war ich da ein wenig überfragt. Ich wußte wirklich nicht genau, wie es weitergehen sollte. Wahrscheinlich mußten wir Moro die Initiative überlassen, was natürlich mehr als schlecht war. Dabei hoffte ich nur, daß er sich auf mich konzentrieren würde, nicht aber auf unschuldige Menschen, die mit der Sache nichts zu tun hatten.
Das erklärte ich Suko auch. Der Chinese teilte meinen Optimismus kaum. Einen besseren Vorschlag konnte er allerdings auch nicht machen.
Als ich aufgelegt hatte und neu wählen wollte, da klingelte es. Ich dachte an alle möglichen Anrufer, nur nicht an den, der tatsächlich am anderen Ende der Leitung war.
»John Sinclair!« hörte ich eine zischende Stimme. »Geisterjäger John Sinclair! Ich kriege dich. Darauf kannst du dich verlassen. Du entkommst mir nicht…«
Wie ein Denkmal stand ich da und hielt den Hörer gegen das Ohr gepreßt. Ich lauschte der Stimme, meine Lippen zuckten, und die Knöchel meiner Hand traten hart und spitz hervor.
Moro war verdammt abgebrüht. Er warnte mich sogar, also mußte er sich sicher fühlen.
Und ich hörte sein Kichern.
Dieses hämische, widerliche, gleichzeitig triumphierende Geräusch, das mir durch und durch ging.
Der kichernde oder lächelnde Henker. Das kam mir in den Sinn. Früher, bei unserer ersten Begegnung, hatte sich Moro nicht so humorvoll gegeben.
Heute reagierte er anders. Weshalb? Darüber machte ich mir meine Gedanken, während ich gleichzeitig sagte: »All right, Henker, du kannst kommen. Ich erwarte dich!«
»Ich dich auch, Geisterjäger, ich dich auch!« zischte er mir durch den Hörer ins Ohr.
Das letzte, was ich von ihm
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