Der Lambertimord
Das hat er mir erzählt, und das glaube ich ihm. Er hatte keinen Grund mehr für Lügengeschichten. Wir haben die ganze Nacht geredet. Können Sie sich das vorstellen, die ganze Nacht? Das haben wir seit 20 Jahren nicht mehr gemacht, geredet, wirklich miteinander geredet, zugehört, was der andere gesagt hat. Wissen Sie, das mag jetzt seltsam klingen, aber ich bin meinem Mann für diese Nacht dankbar.«
»Hatte Ihr Mann einen Verdacht, wer Heike van den Hövel umgebracht haben könnte?« Frank war froh, daß sie offen mit der Frau sprechen konnten, fast klang sie ein wenig unbeteiligt. Das lag aber sicher nur an ihrer, für diese Umstände, unglaublichen Selbstbeherrschung.
»Nein, keinen Verdacht. Mein Mann muß tagelang über diese Frage gegrübelt haben. Einen Verdacht hatte er nicht. Aber, er ist erpreßt worden.«
»Erpreßt worden?« Frank und Ecki hatten fast gleichzeitig nachgefragt und sich dabei erstaunt angesehen.
Ecki ließ Frank weiter fragen. »Wer hat ihn erpreßt, und womit ist er erpreßt worden?«
»Einen Moment, bitte.« Christa Böskes stand auf und ging zu einem Sideboard im Eßzimmer, das sich an das Wohnzimmer anschloß. Sie zog eine Schublade auf und kam mit einem Foto zurück, das sie den Beamten hinhielt.
»Da.«
Frank erkannte die Aufnahme sofort, es war das gleiche Foto, das Beuke bei Masuhr gefunden hatte. Das hieße demnach, daß Böskes Masuhr umgebracht haben könnte, schoß es Frank durch den Kopf. »Hat Ihr Mann den Namen Klaus Masuhr erwähnt?«
Christa Böskes schüttelte den Kopf. »Ist das der Mann, der verbrannt im Wald gefunden wurde?«
»Das ist der Mann. Sind Sie sicher, daß Ihr Mann den Namen nicht erwähnt hat? Hat er vielleicht von einem Treffen mit einem Unbekannten erzählt?«
»Nein, mein Mann ist von einem Unbekannten angerufen worden, der ihm von Fotos erzählt hat, die er im Wald von meinem Mann und dieser Heike gemacht hat. Solche Fotos.« Sie zeigte auf den Abzug. »100.000 Euro sollte mein Mann zahlen, andernfalls wollte der Erpresser die Sache veröffentlichen. Mein Mann ist natürlich nicht auf die Forderungen eingegangen. Woher sollte er auch das viele Geld nehmen?«
»Und dann?« Ecki war dabei, sich ein paar Notizen zu machen.
»Mein Mann ist dann noch ein paar Mal angerufen worden. In seiner Verzweiflung hat er sich dann Hilfe geholt. Sein Freund Klaus Vander wollte die Sache für ihn regeln. Hat Dieter jedenfalls geglaubt.«
»Was meinen Sie damit?« Frank nickte ihr zu, fortzufahren.
»Nun, ja, Vander hat sich mit dem Unbekannten nachts im Wald getroffen. Er wollte ihm mit einem Trick die Fotos entlocken. In dem Koffer war gar kein Geld. Dabei ist es dann zu dieser Auseinandersetzung gekommen.«
»Sie meinen, Vander hat Masuhr umgebracht?«
»So hat es mein Mann mir erzählt. Angeblich soll es ein Unfall gewesen sein. Ich weiß es nicht. Aber das ist noch nicht alles.«
Frank und Ecki sahen sie erwartungsvoll an.
Christa Böskes saß immer noch mit durchgedrücktem Rücken aufrecht im Sessel und sah weiter auf die weiße Landschaft vor ihrem Fenster. »Vander hat Dieter erpreßt. Dieses Schwein. Er wollte Geld haben für sein Schweigen. Das hat Dieter endgültig zerstört. Vander war sein bester Freund. Verstehen Sie, sein bester Freund, das hat Dieter immer wieder gesagt.« Christa Böskes liefen nun Tränen über das Gesicht.
»Wollen Sie damit sagen, daß dieser Klaus Vander sozusagen die Geschäfte von Masuhr übernommen hat und ihren Mann ausnehmen wollte?« Frank konnte die Wendung in dem Fall immer noch nicht glauben.
»Vander wollte von meinem Mann zunächst 20.000 Euro in bar. Als Schweigegeld. Im Gegenzug wollte er die Negative vernichten. Er hielt das für ein faires Geschäft. Mein Mann hätte diese Forderung nie erfüllt. Das hätte Vander wissen müssen.« Christa Böskes wechselte unvermittelt das Thema. »Kann ich ihn sehen?«
»Ich fürchte, das wird vorerst nicht möglich sein. Der Leichnam ihres Mannes ist vermutlich schon in der Gerichtsmedizin in Duisburg. Wir müssen erst die genaue Todesursache kennen. Sie verstehen? Darüberhinaus würde ich Ihnen empfehlen, Ihren Mann so in Erinnerung zu behalten, wie Sie ihn zuletzt gesehen haben. Ein Menschenkörper ist nach so einem Sturz kein angenehmer Anblick.«
Christa Böskes blieb stumm. Nur ihr Brustkorb hob und senkte sich wie unter einer schweren Last. Sie fixierte mit ihren Augen einen imaginären Punkt irgendwo draußen am grauen niederrheinischen
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