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Der Landarzt (German Edition)

Der Landarzt (German Edition)

Titel: Der Landarzt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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vierzigtausend Gesetze! Ein Volk, das vierzigtausend Gesetze hat, hat kein Gesetz! Können fünfhundert mittelmäßige Intelligenzen – denn einem Jahrhundert stehen nicht mehr als hundert starke Intelligenzen zu Diensten – die Kraft besitzen, sich zu solchen Betrachtungen aufzuschwingen? Nein. Die stets aus fünfhundert verschiedenen Oertlichkeiten hervorgegangenen Männer werden niemals den Geist des Gesetzes in der nämlichen Weise verstehen – und das Gesetz muß eins sein. Doch ich gehe noch weiter. Früher oder später gerät eine gesetzgebende Versammlung unter das Zepter eines Mannes, und anstatt Dynastien von Königen zu haben, haben Sie die wechselnden und kostspieligen Dynastien von Premierministern. Am Ende jeder Beratung finden sich Mirabeau, Danton, Robespierre oder Napoleon: Prokonsuln oder ein Kaiser. In der Tat bedarf man einer bestimmten Kraftmenge, um ein bestimmtes Gewicht aufzuheben; diese Kraft kann auf eine mehr oder minder große Zahl von Hebeln verteilt werden, schließlich aber muß die Kraft dem Gewicht proportioniert sein: hier ist die unwissende und leidende Menge, welche die erste Schicht jeder Gesellschaft bildet, das Gewicht. Die ihrer Natur nach einschränkende Macht bedarf einer großen Konzentration, um der Volksbewegung einen gleichen Widerstand entgegenzusetzen. Es ist die Anordnung des Prinzips, das ich eben entwickelte, indem ich Ihnen von der Beschränkung des Regierungsprivilegs sprach. Wenn Sie Leute von Talent zulassen, unterwerfen Sie sich diesem Naturgesetz und unterwerfen ihm das Land; wenn Sie mittelmäßige Menschen versammeln, werden sie früher oder später durch das überlegene Genie besiegt: der Deputierte von Talent fühlt die Staatsraison, der mittelmäßige Deputierte findet sich mit der Kraft ab. In Summa: eine gesetzgebende Versammlung weicht einer Idee, wie der Konvent während der Schreckensherrschaft; einer Macht, wie der gesetzgebende Körper unter Napoleon; einem System oder dem Gelde wie heute. Die republikanische Versammlung, von der einige gute Köpfe träumen, ist unmöglich; die sie wollen, sind vollkommen irregeführt oder zukünftige Tyrannen. Scheint Ihnen eine beratschlagende Versammlung, welche die Gefahren einer Nation erörtert, wenn man sie zum Handeln bringen muß, nicht lächerlich? Mag das Volk Bevollmächtigte haben, die beauftragt sind, Steuern zu gewähren oder zu verweigern, das ist billig und das hat es zu allen Zeiten unter dem grausamsten Tyrannen wie unter dem nachsichtigsten Fürsten gegeben. Geld kann man nicht fassen; die Steuer hat überdies natürliche Grenzen, jenseits deren eine Nation sich auflehnt, um sie zu verweigern, oder sich niederlegt, um zu sterben. Wenn dieser Wahlkörper, der wie die Bedürfnisse, wie die Ideen, die er repräsentiert, wechselt, sich widersetzt, den Gehorsam aller einem schlechten Gesetze gegenüber zuzugestehen, dann ist alles gut. Anzunehmen aber, daß fünfhundert Männer, die aus allen Winkeln eines Reiches zusammengekommen sind, ein gutes Gesetz machen werden, ist das nicht ein schlechter Scherz, den die Völker früher oder später büßen müssen? Sie wechseln dann die Tyrannen, das ist alles. Die Macht, das Gesetz müssen daher das Werk eines einzelnen sein, der durch die Gewalt der Verhältnisse gezwungen ist, seine Handlungen beständig einer allgemeinen Billigung zu unterwerfen. Die Einschränkungen aber, die bei der Ausübung einer Gewalt, sei es eines einzelnen, sei es mehrerer, sei es der Menge, herbeigeführt werden, können nur in den religiösen Institutionen eines Volkes gefunden werden. Die Religion ist das einzige wirklich wirksame Gegengewicht gegen den Mißbrauch der höchsten Gewalt. Wenn das religiöse Gefühl bei einer Nation untergeht, wird sie aus Prinzip aufrührerisch und der Fürst wird aus Notwendigkeit Tyrann. Die Kammern, die man zwischen die Herrscher und die Untertanen stellt, sind nur Palliative für beide Strebungen. Nach dem, was ich Ihnen eben sagte, werden die gesetzgebenden Versammlungen Mitschuldige entweder des Aufstandes oder der Tyrannei. Nichtsdestoweniger ist die Herrschaft eines einzigen, zu der ich hinneige, nicht absolut gut; denn die Resultate der Politik werden ewig von den Sitten und dem Glauben abhängen. Wenn eine Nation alt geworden ist, wenn die Scheinphilosophie und der Diskussionsgeist sie bis ins Mark der Knochen hinein verdorben haben, geht diese Nation trotz der freiheitlichen Formen dem Despotismus entgegen; ebenso wie kluge Völker

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