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Der Landarzt (German Edition)

Der Landarzt (German Edition)

Titel: Der Landarzt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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fast immer die Freiheit unter den Formen des Despotismus zu finden wissen. Aus alledem ergeben sich die Notwendigkeit einer großen Einschränkung in den Wahlrechten, die Notwendigkeit einer starken Gewalt und die Notwendigkeit einer mächtigen Religion, die den Reichen zum Freunde des Armen macht und dem Armen eine völlige Ergebung befiehlt. Kurz, es ist wirklich dringend nötig, die gesetzgebenden Versammlungen auf die Steuerfrage und die Eintragung der Gesetze zu beschränken, indem man ihnen deren direkte Schaffung nimmt. In vielen Köpfen bestehen andere Ideen, das weiß ich. Heute wie früher begegnet man Geistern, die darauf brennen, »das Beste« zu suchen, und die wollen, daß die Gesellschaften weiser eingerichtet werden als sie es sind. Die Neuerungen aber, die auf die Herbeiführung vollkommener sozialer Aenderungen abzielen, bedürfen einer allgemeinen Bestätigung. Die Neuerer müssen Geduld haben. Wenn ich die Zeit abmesse, welche die Einführung des Christentums nötig hatte – eine moralische Revolution, die rein friedlich sein sollte –, so bebe ich beim Gedanken an das Unheil, das eine Revolution in den materiellen Interessen mit sich bringen müßte, und entscheide mich für die Beibehaltung der bestehenden Institutionen. ›Jedem seine Gedanken,‹ hat das Christentum gesagt; ›jedem sein Feld,‹ sagt das moderne Gesetz. Das moderne Gesetz hat sich in Uebereinstimmung mit dem Christentume gesetzt. Jedem seine Gedanken, ist die Bestätigung der Rechte der Intelligenz; jedem sein Feld, ist die Bestätigung des den Mühen der Arbeit verdankten Besitzes. Darauf beruht unsere Gesellschaft. Die Natur hat das menschliche Leben auf das Gefühl der individuellen Erhaltung basiert; das soziale Leben hat sich auf dem persönlichen Interesse aufgebaut. Für mich sind das die wahren politischen Grundsätze. Indem sie diese beiden egoistischen Gefühle unter dem Gedanken an ein zukünftiges Leben erstickt, mildert die Religion die Härte der sozialen Kontakte. Also lindert Gott die Leiden, welche die Reibung der Interessen hervorruft, durch das religiöse Gefühl, das aus dem Sichselbstvergessen eine Tugend macht, wie er durch unbekannte Gesetze die Reibungen im Mechanismus seiner Welten gemildert hat. Das Christentum hieß den Armen den Reichen dulden, den Reichen das Elend des Armen erleichtern; für mich bedeuten diese wenigen Worte die Essenz aller göttlichen und menschlichen Gesetze.«
    »Ich, der ich kein Staatsmann bin,« sagte der Notar, »sehe in einem Staatsoberhaupte den Liquidator einer Gesellschaft, die in einem ständigen Liquidationszustande verharren muß; er überliefert seinem Nachfolger ein Aktivum, das dem gleich ist, das er empfangen hat.«
    »Ich bin kein Staatsmann!« unterbrach Benassis den Notar lebhaft. »Es bedarf nur gesunden Menschenverstandes, um das Schicksal einer Gemeinde, eines Kreises oder eines Bezirks zu verbessern; wer eine Provinz leitet, muß schon Talent besitzen. Diese vier Verwaltungspflichten aber haben begrenzte Horizonte, die gewöhnliche Augen leicht überschauen können; ihre Interessen stehen durch sichtbare Bande im Zusammenhange mit der großen Bewegung des Staates. In der höheren Region vergrößert sich alles; der Blick des Staatsmannes muß von dem Standpunkt aus, auf dem er steht, alles überschauen. Da wo er, um viel Gutes in einer Provinz, in einem Bezirke, in einem Kreise oder einer Gemeinde zu wirken, nur nötig hätte, das Resultat einer zehnjährigen Frist vorauszusehen, muß er, sobald es sich um eine Nation handelt, ihre Geschichte vorausahnen, sie am Laufe eines Jahrhunderts abmessen. Das Genie der Colbert, der Sully bedeutet nichts, wenn es sich nicht auf den Willen stützt, der die Napoleon und die Cromwell macht. Ein großer Minister, meine Herren, ist ein großer Gedanke, der auf allen Jahren des Jahrhunderts, dessen Glanz und Gedeihen von ihm vorbereitet worden sind, geschrieben steht. Beständigkeit ist die Tugend, deren er am meisten bedarf. Ist aber Beständigkeit nicht auch in allen menschlichen Dingen der höchste Ausdruck der Kraft? Seit einiger Zeit sehen wir allzu viele Männer nur ministerielle Ideen statt nationaler Ideen haben, um nicht den wirklichen Staatsmann als denjenigen zu bewundern, der uns die unermeßlichste menschliche Poesie darbietet. Immer über den Augenblick hinaussehen und dem Geschick zuvorkommen, über der Macht stehen und nur durch das Gefühl der Nützlichkeit dabei beharren, ohne sich über seine

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