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Der Landarzt (German Edition)

Der Landarzt (German Edition)

Titel: Der Landarzt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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gruppiert, nähten einige Frauen, andere spannen, mehrere blieben müßig, den Hals ausgestreckt, den Kopf und die Augen auf einen alten Bauern gerichtet, der eine Geschichte erzählte. Die meisten Männer standen aufrecht oder lagen auf Heuhaufen. Diese völlig schweigenden Gruppen wurden kaum erhellt durch den flackernden Widerschein der Kerzen, die von wassergefüllten Glaskugeln umgeben waren, welche das Licht in Strahlen konzentrierten, in deren Helligkeit sich die Arbeiterinnen hielten. Die Ausdehnung der Scheune, deren obere Hälfte finster und schwarz blieb, beschränkte diese Lichtschimmer noch, welche die Köpfe ungleichmäßig beleuchteten, indem sie malerische Hell- Dunkeleffekte hervorriefen. Hier glänzten die braune Stirn und die hellen Augen einer neugierigen kleinen Bäuerin, dort hoben Lichtstreifen die strengen Stirnen einiger alter Männer hervor und zeichneten phantastische Muster auf ihre abgenutzten und verblichenen Kleider. Alle diese aufmerksamen Leute in ihren verschiedenen Stellungen drückten auf ihren unbeweglichen Gesichtern die völlige Hingabe ihrer Gedanken an den Erzähler aus. Es war ein seltsames Gemälde, auf dem der wunderbare Einfluß deutlich wurde, der von der Dichtung auf alle Gemüter ausgeübt wird. Wenn der Bauer von seinem Erzähler ein stets einfaches oder fast unmöglich zu glaubendes Wunderbares verlangt, zeigt er sich da nicht als Freund reinster Poesie?
    »... Obwohl das Haus sehr übel aussah,« sagte der Bauer im Augenblicke, da die beiden neuen Zuhörer Platz genommen hatten, um ihm zu lauschen, »ging die arme bucklige Frau doch hinein; denn es hatte sie sehr müde gemacht, daß sie ihren Hanf auf den Markt getragen hatte; sie wurde ja auch von der Nacht, die hereingebrochen war, dazu gezwungen. Sie bat nur, dort schlafen zu dürfen; denn sie zog eine Brotrinde aus ihrem Quersack und verzehrte sie –dash; das war ihre ganze Nahrung. Die Wirtin, die also das Weib der Räuber war, nahm, da sie nichts von dem wußte, was sie in der Nacht zu tun beschlossen hatten, die Bucklige auf und schickte sie ohne Licht nach oben. Meine Bucklige streckte sich auf einer schlechten Matratze aus, sagt ihr Gebet, denkt an ihren Hanf und schickt sich an zu schlafen. Ehe sie aber eingeschlummert war, hört sie Geräusch und sieht zwei Männer eintreten, die eine Laterne tragen; jeder von ihnen hielt ein Messer: Angst packt sie, weil in jener Zeit, wißt ihr, die Edelleute so auf Menschenfleischpasteten versessen waren, daß man sie für sie herstellte. Doch da die Alte ganz hartes und zähes Fleisch hatte, beruhigte sie sich bei dem Gedanken, daß man sie für eine schlechte Nahrung halten würde. Die beiden Männer kommen an der Buckligen vorbei, gehen an ein Bett, das in diesem großen Zimmer stand, und wohinein man den Herrn mit dem großen Felleisen sich hatte legen lassen, den man für einen Negromanten hielt. Der größere hebt die Lampe, indem er des Herrn Füße packt, der Kleine, derselbe, der den Betrunkenen gespielt hatte, packt seinen Kopf und schneidet ihm mit einem Ruck, krach, den Kopf ab! Dann lassen sie den Körper und den Kopf, ganz mit Blut bedeckt, da, stehlen das Felleisen und gehen hinunter. Da war unsere Frau recht in Aufregung! Anfangs denkt sie daran, sich dünn zu machen, ohne daß man es merkt, da sie noch nicht weiß, daß die Vorsehung sie zu Gottes Ruhm dorthin geführt hatte und um das Verbrechen seine Strafe finden zu lassen. Sie hatte Bange, und wenn man Bange hat, regt man sich über gar nichts auf. Die Wirtin aber, welche die Räuber nach Neuigkeiten von der Buckligen gefragt hatte, erschreckt sie, und sie gehen sacht die kleine Holzstiege wieder hinauf. Die arme Bucklige kauert sich vor Angst zusammen und hört sie sich mit leiser Stimme streiten:
    ›Ich sage dir, du sollst sie totmachen.‹
    ›Braucht nicht totgemacht zu werden.‹
    ›Mach' sie tot!‹
    ›Nein!‹
    Sie treten ein. Meine Bucklige, die nicht dumm war, macht die Augen zu und tut, als ob sie schliefe. Und schläft wie ein Kind, die Hand auf dem Herzen, und atmet wie ein Engelchen. Der die Laterne hatte, macht sie auf, läßt das Licht gerade in die Augen der alten Schläferin fallen, und meine gute Frau zuckt nicht im geringsten mit den Wimpern, solche Angst hatte sie für ihren Hals.
    ›Du siehst doch, daß sie wie ein Sack schläft,‹ sagt der Große.
    ›Die alten Weiber sind boshaft,‹ antwortete der Kleine. ›Ich will sie totmachen, dann werden wir ruhiger sein.

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