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Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele

Titel: Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Adams
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weil sie keinen Namen wußte, nach dem sie fragen konnte. Einfach zu fragen, ob sie irgendeinen großen, gutgebauten, blonden Mann als Patienten hätten, schien ihr den völlig falschen Eindruck zu machen. Zumindest beteuerte sie sich selber, daß es der gänzlich falsche Eindruck sei. Ein rascher Anruf bei Alan Franklin hatte ihr zu dieser alles in allem subtileren Methode verholfen.
    »Gut!« Ein Zweifel huschte ganz kurz über Mr. Standishs Gesicht, und er rief Miss Mayhew noch einmal aus ihrem Schrank.
    »Miss Mayhew, was ich Ihnen gerade gesagt habe -«
    »Ja, Mr. Standish?«
    »Ich nehme an, Sie haben bemerkt, daß ich wollte, daß Sie das für mich notieren?«
    »Nein, Mr. Standish, aber ich werde es mit Freuden tun.«
    »Danke«, sagte Mr. Standish mit einem leicht nervösen Blick. »Und machen Sie hier bitte mal Ordnung. Hier sieht's ja aus wie -«
    Er wollte sagen, es sehe wie im Saustall aus, aber die klinische Sterilität des Raumes hinderte ihn daran.
    »Räumen Sie halt allgemein ein bißchen auf«, schloß er.
    »Ja, Mr. Standish.«
    Der Psychologe nickte barsch, wischte ein nicht vorhandenes Staubkörnchen von seinem Schreibtisch, sah Kate mit einem Lächeln an, das er ganz kurz an- und wieder ausknipste, und dann führte er sie aus seinem Arbeitszimmer auf den Gang, der tadellos mit der Sorte beigefarbenem Teppich ausgelegt war, der an jeden, der darauf herumläuft, elektrische Schläge austeilt.
    »Hier, sehen Sie mal«, sagte Standish und deutete mit einem lässigen Handwedeln auf einen Teil der Wand, an der sie vorbeigingen, machte aber auf keine Weise klar, was sie seiner Meinung nach sehen oder daraus entnehmen sollte.
    »Und dort«, sagte er und zeigte allem Anschein nach auf eine Türangel.
    »Ah«, setzte er hinzu, als diese Tür sich zu ihnen hin öffnete. Kate stellte beunruhigt fest, daß jedesmal, wenn in diesem Haus irgendwo eine Tür aufging, sie vor lauter Spannung leicht zusammenzuckte. Das war nicht die Art von Benehmen, die sie von einer weltläufigen New Yorker Journalistin erwartete, auch wenn sie eigentlich nicht in New York lebte und nur Reisefeuilletons für Illustrierte schrieb. Es war trotzdem nicht richtig, daß sie jedesmal, wenn eine Tür aufging, nach großen, blonden Männern Ausschau hielt.
    Es kam kein großer, blonder Mann aus dem Zimmer. Vielmehr ein kleines, rotblondes Mädchen von ungefähr zehn Jahren, das in einem Rollstuhl geschoben wurde. Es wirkte sehr blaß, krank und in sich gekehrt und murmelte lautlos irgend etwas vor sich hin. Was es auch war, was sie da murmelte, es schien sie zu ängstigen und aufzuregen, und sie warf sich in ihrem Rollstuhl mal in die eine und mal in die andere Richtung, als versuche sie den Worten zu entfliehen, die aus ihrem Munde kamen. Kate war durch ihren Anblick augenblicklich gerührt und bat die Schwester, die den Rollstuhl schob, anzuhalten.
    Sie kauerte sich hin, um dem Mädchen freundlich ins Gesicht zu sehen, was die Schwester ein wenig zu freuen schien, aber Mr. Standish um so weniger.
    Kate versuchte nicht, die Aufmerksamkeit des Mädchens auf sich zu lenken, sondern schenkte ihr lediglich ein offenes, freundliches Lächeln, um zu sehen, ob es darauf reagieren würde, aber das Mädchen schien dazu nicht willens oder nicht fähig zu sein. Sein Mund plapperte unentwegt weiter, er schien geradezu ein Dasein zu führen, das von ihrem übrigen Gesicht völlig unabhängig war.
    Jetzt, wo Kate sie sich näher betrachtete, schien es ihr, daß sie weniger krank und in sich gekehrt als erschöpft, gequält und unsagbar angeekelt wirkte. Sie brauchte ein bißchen Ruhe, sie brauchte Frieden, aber ihr Mund bewegte sich unaufhörlich weiter.
    Einen flüchtigen Moment lang trafen ihre Augen Kates, und die Botschaft, die Kate auffing, lautete ungefähr: »Tut mir leid, aber du mußt mich einfach entschuldigen, solange das hier so weitergeht.« Das Mädchen holte tief Luft, schloß resigniert halb die Augen und setzte ihr endloses stummes Gemurmel fort.
    Kate beugte sich etwas vor, um irgendein konkretes Wort aufzuschnappen, aber sie verstand nichts. Sie warf einen fragenden Blick zu Standish hoch.
    Er sagte schlicht: »Aktienkurse.«
    Ein Staunen ging über Kates Gesicht.
    Mit einem gequälten Schulterzucken setzte Standish hinzu: »Die von gestern, leider.«
    Kate zuckte zusammen, als sie ihre Reaktion so hemmungslos mißdeutet sah, und blickte eilig wieder auf das Mädchen, um ihre Verwirrung zu verbergen.
    »Sie meinen«, sagte sie

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