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Der lange Schatten

Titel: Der lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra von Grote
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Stunden hatte dieser Mann sie in seiner Gewalt und ihr möglicherweise bereits Schlimmes angetan. Wenn sie angesichts dieser Umstände die Nerven verlor und Fehler machte, war dies nur allzu verständlich.
    Das Klingeln seines Handy riss LaBréa aus seinen Gedanken. Auf dem Display war keine Nummer zu sehen. LaBréas Hand zitterte, als er auf den grünen Knopf drückte.
    »Ja, hier LaBréa«, sagte er mit ruhiger, fester Stimme. Er vernahm ein Schniefen, dann ertönte die Stimme des Geiselnehmers mit dem südlichen Akzent.
    »Gut, dass ich dich endlich selbst an der Strippe habe, du Wichser. Hör zu, was ich dir sage. Morgen früh um acht ist die Geldübergabe. Ich will, dass du selbst kommst, und zwar allein.«
    »Wo soll das Ganze stattfinden?«
    »Das erfährst du noch.«
    »Morgen früh um acht ist unmöglich«, erklärte LaBréa rasch. »In der Kürze der Zeit und in Anbetracht der Tatsache, dass es Nacht ist, kann eine solche Summe so schnell nicht beschafft werden. Ich brauche ein bisschen mehr Spielraum.«
    »Den kriegst du aber nicht. Wenn ich das Geld morgen früh nicht habe, siehst du deine Tussi nie wieder.«
    »Ich will einen Beweis, dass sie noch am Leben ist.«
    »Sie ist noch am Leben.«
    »Lassen Sie mich mit ihr sprechen!«
    »Mit ihr sprechen willst du … Mal sehen, ob sich das einrichten lässt. Ich rufe Punkt Mitternacht wieder an, dann kannst du dich davon überzeugen, dass sie lebt.«
    Am anderen Ende der Leitung ertönte ein Klicken. Das Gespräch war beendet. Deine Tussi … Der Geiselnehmer schien also Bescheid zu wissen. In zwei Stunden würde LaBréa Célines Stimme hören, falls der Mann ihn nicht belogen hatte und nur sein Spiel mit ihm trieb. Sollte er tatsächlich mit ihr reden können, hätte er nur wenige Sekunden Zeit, sich ein Bild von ihrer Lage zu machen. Die kleinste Nuance im Klang ihrer Stimme würde alles offenbaren. Der Gedanke daran erhöhte seinen Pulsschlag.
    Von seinem Festnetzapparat aus rief LaBréa Capitaine Leconte an und erzählte ihm vom Anruf des Geiselnehmers. Leconte hatte inzwischen wegen des Lösegeldes mit einem der Verantwortlichen vom Vorstand der LCL-Bank gesprochen.
    »Die müssen erst klären, ob ihre Versicherung für das Lösegeld einspringt.«
    »Was? Das kann doch nicht wahr sein! Und das Innenministerium?«
    »Gleich morgen früh kann ich den Abteilungsleiter erreichen, der für Lösegeldzahlungen zuständig ist.«
    »Aber morgen früh ist zu spät, Leconte!«
    Der SEK-Mann stöhnte leicht. »Ich versuche mein Bestes, LaBréa. Der Geldfonds für Geiselnahmen im Innenministerium unterliegt eigentlich strikten Auflagen und gilt nur für Leute, die in offizieller Mission in einschlägigen Ländern gekidnappt werden. Jemen, Sudan, Irak, Afghanistan. Angehörige der Streitkräfte oder Mitarbeiter humanitärer Hilfsorganisationen.«
    »Und das Lösegeld für Íngrid Betancourt?« LaBréa fühlte Zorn und Verbitterung in sich aufsteigen. »Diese Frau war weder bei der Armee, noch hat sie in einer Hilfsorganisation gearbeitet! Sie war eine kolumbianische Politikerin mit einer zweiten Staatsbürgerschaft!« Für einen kurzen Augenblick tauchte das Bild der schmalen, blassen Frau vor LaBréas Auge auf. Ihr Porträt hatte seinerzeit in überdimensionaler Größe die Fassade des Hôtel de Ville geschmückt.
    »Bei Íngrid Betancourt lagen die Dinge anders«, antwortete der Capitaine. »Ihre Befreiung wurde zur Chefsache des Präsidenten.«
    »Tja, schade, dass Céline Charpentier über keinen direkten Draht zum Präsidenten verfügt«, erwiderte LaBréa sarkastisch.
    »Es hat im Übrigen nie einen Bestätigung gegeben, dass die französische Regierung Lösegeld für Betancourt gezahlt hat. Das wurde stets dementiert.«
    »Wie auch immer, Leconte. Ich stelle nur fest: Sie sind keinen Schritt weitergekommen.«
    »Wir können schließlich nicht sämtliche Telefonzellen in der Stadt überwachen lassen!« Leconte räusperte sich kurz und fuhr fort: »Sie müssen den Kerl dazu bringen, die Übergabe zu verschieben! Er wird sich schon darauf einlassen. Ich kann einfach erst morgen früh etwas erreichen. Vielleicht stellt das Innenministerium einen Teil des Lösegelds zur Verfügung und die Bank den Rest.«
    LaBréa hatte genug von dem Gespräch. Wütend knallte er den Hörer auf. Gleich darauf klingelte sein Handy.
    »Commissaire?«, meldete sich die Stimme von Achmed Kadir, einem der Mitarbeiter der Technikabteilung. »Diesmal kam der Anruf dieses Typen aus einer

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