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Der lange Schatten

Titel: Der lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra von Grote
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regnerischen Oktobernacht.
    Bevor er seine Wohnung verließ, rief LaBréa in der Brûlerie an.
    »Irgendwas Neues wegen Madame Charpentier?«, fragte Alissas Mutter Francine voller Anteilnahme.
    »Nein, leider nicht. Ich wollte mich nur erkundigen, ob die Mädchen schon von der Geburtstagsparty zurück sind?«
    »Noch nicht, Commissaire. Pierre-Michels Mutter hat vor zehn Minuten angerufen. Sie bringt die beiden gegen halb elf mit dem Wagen her.«
    »Ist das nicht ein bisschen spät? Wegen der Schule, meine ich.«
    »Die Mädchen haben morgen die beiden ersten Stunden frei.«
    »Gut, dann bin ich beruhigt. Ich melde mich vielleicht nochmal, wenn das nicht zu spät für Sie ist.«
    »Bis halb zwölf bin ich auf jeden Fall wach. Und bis dahin sind Jenny und Alissa sicher wieder hier.«
    LaBréa legte den Hörer auf, strich dem schlafenden Obelix noch einmal übers Fell und löschte das Licht.
    Jean-Marc saß in seinem Büro am Schreibtisch und gab den Namen »Frédéric Douvry« in diverse Datenbanken ein. Google spuckte keinen einzigen Eintrag aus. Im Zentralregister der Polizei war der Name nicht gespeichert. Das bedeutete, dass der Mann noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Im Geburtenregister von Marseille fand sich ein kurzer Eintrag: Frédéric Douvry, geboren am 2. Februar 1989 im Hôpital Saint Joseph. Mutter: Denise Douvry, geborene Castellan. Vater: Philippe Douvry.
    Ein Klick ins Register des Marseiller Einwohnermeldeamtes, und Jean-Marc stieß auf die damalige Adresse der Familie. Im Jahr 2001 gab es eine Abmeldebescheinigung für Denise Douvry und ihren Sohn Frédéric. Von Philippe Douvry war keine Rede mehr. Das alles stimmte überein mit den Daten des Prozesses gegen den Ehemann und Vater, der Ende 2000 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden war. Offenbar waren Mutter und Sohn tatsächlich aus finanziellen Gründen gezwungen gewesen, ihre gutbürgerliche Wohngegend zu verlassen. Wohin waren sie anschließend gegangen? Mit einem weiteren Passwort loggte Jean-Marc sich in die zentrale Meldeamt-Datenbank aller französischer Départements ein. Nach knapp fünf Minuten hatte er zwei Namen auf dem Schirm. Es gab einen Frédéric Douvry in Strasbourg und einen in Grenoble. Beim ersten sah Jean-Marc das Geburtsjahr 1951, damit schied dieser Mann aus. Bei Frédéric Douvry in Grenoble hingegen landete der Paradiesvogel einen Volltreffer. Geburtsdatum und Geburtsort wiesen ihn als denjenigen aus, nach dem Jean-Marc suchte. Er klickte das Online-Telefonbuch für Grenoble an. Einen Eintrag auf den Namen Frédéric Douvry gab es nicht. Dass der Mann keinen Festnetzanschluss besaß, war nicht weiter verwunderlich. Gerade jüngere Leute verzichteten heutzutage immer mehr auf einen solchen Anschluss und besaßen lediglich ein Handy. Nachdem er die Nummer der Gendarmerie Grenoble aus dem Handbuch der Polizeidienste herausgesucht hatte, rief Jean-Marc dort an. Er erklärte dem jungen Kollegen den Zweck seines Anrufs, schilderte ihm den Hintergrund mit der Geiselnahme und bat ihn, sofort jemanden zur Adresse von Frédéric Douvry zu schicken. War der Mann zu Hause, führte diese Spur in eine Sackgasse. Wenn nicht …
    »Rue des Abeilles?«, fragte der diensthabende Gendarmeriebrigadier. »Das liegt zufällig gleich bei uns um die Ecke. Meine Kollegin fährt da jetzt mal hin. Wir melden uns bei Ihnen, Leutnant.«
    Jean-Marc bedankte sich, legte den Hörer auf und erhob sich. Sein Rücken schmerzte. Noch immer spürte er die Nachwirkungen des Angriffs vom letzten Sommer. Da hatte man ihn auf der Suche nach dem Mörder des Jungen aus der Seine undercover in die Pädophilenszene eingeschleust. Dort war er zwei Männern in die Falle getappt, die ihn krankenhausreif geschlagen hatten. Nur durch Zufall war Jean-Marc seinerzeit in einer alten Autowerkstatt gefunden worden. Zwei Monate hatte er im Krankenhaus und in der Reha zugebracht. Wieder im Dienst war Jean-Marc erst seit zwei Wochen.
    Er ging in den Aufenthaltsraum, wo die Kaffeemaschine stand. Dank ihr gab es richtigen Espresso, nicht so ein Gesöff wie an dem Automaten früherer Zeiten. Jean-Marc liebte seinen Espresso stark, heiß und sehr süß. Mit der dampfenden Tasse kehrte er zurück in sein Büro. Übers Handy rief er seinen Freund Cyril an. Dieser war Arzt, und ganz in der Nähe seiner Praxis wurde demnächst eine große Wohnung frei. Jean-Marc und er wollten endlich zusammenziehen.
    »Hast du dir die Wohnung angesehen?«, fragte er

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