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Der lange Schatten

Titel: Der lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra von Grote
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wulstigen Lippen. Mit der vollen Konservendose kam sie nach vorn zum Tisch. Sie war froh, dass die Aktion überstanden war, auch wenn das diabolische Grinsen Abscheu und tiefe Wut in ihr hervorrief.
    »Was passiert jetzt damit?«, fragte Céline und deutete auf das volle Gefäß. Am liebsten hätte sie ihm den Inhalt ins Gesicht geschüttet.
    »Stell’s auf den Tisch, und setz dich wieder hin.«
    Céline tat, was er sagte. Kaum saß sie auf dem Stuhl, stand der Geiselnehmer auf, packte mit seiner großen Hand die Konservenbüchse, und marschierte zur Tür. Er zog den Schlüssel aus seiner Hosentasche, sperrte auf und warf die Büchse aus dem Wagen. Céline hörte, wie sie einige Meter weiter scheppernd auf dem Kiesboden aufschlug. Das alles geschah sehr schnell, dennoch bemerkte Céline, dass von nirgendwoher ein Lichtschein auf das verlassene Gelände fiel und dass es regnete. Als sie vorhin allein im Bauwagen gewesen war, hatte sie gehört, dass der Regen eine Weile nachgelassen hatte. Jetzt war er wieder stärker geworden.
    Die Tür wurde abgeschlossen, und der Mann ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Er griff nach dem Glas Wasser, das Céline ihm zum Essen hingestellt hatte, und leerte es in einem Zug. Céline schluckte und startete einen neuen Versuch.
    »Wird die Polizei das Lösegeld zahlen, das Sie für mich fordern?«
    »Die Polizei?« Er lachte. »LaBréa soll zahlen. Und er wird zahlen! Mir ist völlig egal, woher die Kohle kommt. Hauptsache, er überbringt sie persönlich. Dann schnapp ich ihn mir!«
    Céline horchte auf. Warum wollte er sich LaBréa »schnappen«? War sein Hass auf ihn so groß, dass er ihm nach dem Leben trachtete? Dass er keinen Moment zögern würde, einen weiteren Menschen zu töten, wusste Céline bereits.
    »Warum konzentrieren Sie sich eigentlich so auf ihn?«, fragte sie. »Woher kennen Sie ihn denn?«
    Das Gesicht des Mannes spannte sich an. Schon bereute Céline ihre Worte, sie befürchtete einen erneuten Gewaltausbruch. Doch er beugte sich nur ein wenig vor, füllte sein Wasserglas und sagte leise: »Mit dem Typen habe ich eine ganz spezielle Geschichte.«
    »Was für eine Geschichte?«, hakte Céline rasch nach.
    Die Augen des Mannes zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen. »Das möchtest du wohl gern wissen, was? Du wärst erstaunt, wenn ich sie dir erzähle!« Er lachte kurz auf.
    Céline beschloss, weiter nachzuhaken. »Hat er Sie mal wegen irgendwas zu Unrecht verhaftet?« Sie sagte bewusst »zu Unrecht«, um den Mann nicht zu reizen.
    »Nee, hat er nicht!« Es klang beinahe fröhlich, und auf seinem Gesicht spiegelte sich so etwas wie Schadenfreude und Triumph. »Ganz im Gegenteil: Verhaftet hat er mich nie.«
    Céline überlegte sich die nächste Frage. Doch bevor sie sie stellen konnte, blickte der Mann auf seine Uhr. Im nächsten Moment sprang er abrupt auf.
    »Zeit, diesen Typen anzurufen! Du solltest beten, dass er die Kohle bis morgen früh beschafft! Sonst …« Er beendete den Satz nicht.
    Céline nahm all ihren Mut zusammen. »Sonst was, Monsieur? Töten Sie mich dann?«
    »Kann sein.« Die Augen des Mannes blickten ausdruckslos. »Aber erst mal gehe ich davon aus, dass er den Zaster irgendwie auftreibt.« Erneut grinste er. »Schließlich will er seine Tussi doch wiederhaben, oder?«
    Céline sah ihn fest an. »Und, bekommt er seine Tussi wieder, wenn die Geldübergabe erfolgt ist?« Es war eine Frage auf Leben und Tod, und Céline erwartete keine ehrliche Antwort. Der Mann erwiderte nichts, zog nur lautstark die Nase hoch, nahm seinen Rucksack von der Stuhllehne, löschte die Campinglampe und verließ rasch den Bauwagen.
    Céline hörte, wie der Schlüssel von außen im Schloss gedreht wurde. Die Schritte des Mannes entfernten sich. Der Regen trommelte auf das Dach ihres Gefängnisses. Ansonsten herrschte Stille.
    Franck hatte sich von Brigadier Valdez, einem der uniformierten Kollegen, beim Pizzabäcker am Boulevard Saint Michel eine Pizza holen lassen. Mit Schinken, Pilzen und Mozzarella. Er schob große Stücke davon in den Mund, während er seine Ermittlungen im Mordfall Luc Chambon an LaBréas Computer fortsetzte. Im Internet gab es diverse Foren für Waffennarren. Eine Glock 21, Kaliber .45 ACP war eine Waffe, über die man im Netz viele Informationen fand, die jedoch ohne Waffenschein nur als originalgetreue Nachbildung erworben werden konnte. Mit anderen Handfeuerwaffen war es ähnlich. In den Foren tummelten sich Amateure und Profis, zwischen

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