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Der lange Schatten

Titel: Der lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra von Grote
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Gefühl von Verachtung betrachtete Freddy sein Gegenüber. Luc hatte sich zu einem erbärmlichen Junkie entwickelt. Er nahm dreimal so viel Stoff wie er, und das Ergebnis war entsprechend. Luc ließ sich gehen, lag den ganzen Tag zugedröhnt auf seiner Matratze. So einer würde nie wieder die Kurve kriegen. Aus, vorbei. Eines Tages würde man ihn im verdreckten Hausflur irgendeines Abbruchhauses finden. Overdose, seit Wochen tot und schon halb verwest. Das würde ihm nie im Leben passieren. Er hatte alles unter Kontrolle, auch die Droge. Hätte er Luc bloß nichts von dem Banküberfall erzählt! Jemand, der einen alten Kumpel beklaute, würde ihn auch erpressen oder an die Bullen verpfeifen, nur um an Stoff zu kommen. Yannick hatte ihm neulich gesteckt, dass er Luc schon lange nicht mehr belieferte, weil er nie Geld hatte.
    Er bückte sich, hob das Tütchen auf, das direkt vor seinen Füßen gelandet war, und steckte es in seine Hosentasche. Dann drückte er den Abzug seiner Glock. Ein kurzer, trockener Knall. Mit einem ungläubigen Ausdruck auf dem Gesicht sank Luc ohne einen Laut zu Boden.
    Rasch steckte er die Waffe ein, griff nach seinem Rucksack und verließ die Wohnung.
    Er hatte nichts empfunden, als er Luc mitten in die Brust schoss. Kein Mitleid, kein Bedauern. Mit Lucs Tod war die Vergangenheit endgültig abgeschlossen. Etwas Neues begann. Freddy hatte noch nie im Leben zurückgeblickt.
    Auch jetzt, als er durch die Straßen ging und darauf wartete, dass endlich der Tag anbrach und der Bulle das Lösegeld in der Station Châtelet deponierte, spürte er keine Reue. Es gab keinen Unterschied im Töten. Die Leute in der Bank waren für ihn Fremde gewesen. Luc kannte er seit langem, er hatte ihn gemocht und am Anfang sogar bewundert. Dennoch hatte er keine Skrupel, ihn ebenso eiskalt abzuknallen wie die beiden Bankangestellten. Es war wie ein Job, der erledigt werden musste und bei dem sich keinerlei Emotionen einstellten.
    Er spürte die Unruhe, die jetzt immer mehr Besitz von ihm ergriff. Nicht nur aus diesem Grund hatte er den Bauwagen erneut verlassen. Die Bullentussi war ihm mit ihrem Gezeter gewaltig auf die Nerven gegangen, und noch war es zu früh für den Countdown. Eine Stunde hatte er noch warten wollen, um dann zurück zum Bauwagen zu gehen. Diese Stunde neigte sich nun dem Ende zu. Als er auf seine Taucheruhr blickte, war es halb fünf. Ohne Hast, aber mit gespannter Erwartung im Herzen, lenkte er seine Schritte in Richtung des Geländes.
    Mit dem, was er jetzt tun würde, hatte er lange genug gewartet.
    Als er die Metalltür des Bauwagens aufschloss und den Strahl seiner Taschenlampe auf das Gesicht der Bullentussi richtete, reagierte sie nicht. Vornübergebeugt saß sie am Tisch, das Gesicht mit beiden Armen bedeckt. Schlief sie, oder wollte sie ihn bewusst ignorieren? Egal, es änderte ohnehin nichts.
    »So, es wird Zeit«, sagte Freddy schneidend. Als die Tussi jetzt mit einem Ruck den Kopf hob und ihn anblickte, sah er die Todesangst in ihren Augen. Ein tiefes Gefühl der Befriedigung durchströmte ihn. Wer an ihrer Stelle hätte keine Todesangst gehabt?
    Freddy verschloss die Tür, steckte den Schlüssel ein und öffnete seinen Rucksack.
    Als er den Bauwagen wieder verließ, waren die Würfel gefallen. In fünf Minuten würde er hierher zurückkehren, ein letztes, endgültiges Mal. Er grinste. Er liebte das Spiel mit seiner Beute. Und er würde nie genug davon bekommen.
    Er hatte sie gefesselt. Alles war sehr schnell und überraschend gegangen. Plötzlich hatte er sich auf sie gestürzt, überwältigt und auf das Matratzenlager gestoßen. Als sie sich wehrte, schlug er ihr heftig ins Gesicht. Nun schnitten erneut Plastikschnüre in Célines Handgelenke, die noch wund und aufgescheuert waren von der Fesselung in der Bank. Der Schmerz kam in Wellen und erfasste jeden einzelnen Nervenstrang. Der Lappen, den er ihr in den Mund stopfte, stank nach Wagenschmiere und rief ein Gefühl der Übelkeit hervor. Céline hätte sich am liebsten übergeben, doch das wäre ihr sicherer Tod gewesen. Erstickt an ihrem eigenen Erbrochenen …
    Er würde ihr die Kleider vom Leib reißen und sich über sie hermachen. Das, was sie die ganze Zeit befürchtet hatte, würde nun eintreten. Ihre Angst wuchs ins Unermessliche.
    Genauso schnell, wie er sie überwältigt hatte, ließ er nun abrupt von ihr ab. Im Halbdunkel des Bauwagens sah sie das flüchtige Grinsen auf seinen Lippen. Ein Schauer fuhr ihr über den

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