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Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home

Titel: Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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Gewissen zu reden suchte, starrte er sie feindselig an. Wahrscheinlich, weil er verlegen ist, redete sie sich ein. »Irgendwelchen Leuten«, antwortete er ausweichend.
    »Was für Leuten?« Er kannte kaum jemanden in New York. Andererseits wurde er für einen Mann mit so wenigen Bekanntschaften sehr oft angerufen. Mrs Boslicki jammerte immer wieder, sie würde sich wie eine Telefonistin vorkommen. Plötzlich merkte Gabriella, wie wenig sie über ihn wusste, und er war offensichtlich nicht bereit, ihr seine Geheimnisse zu verraten.
    »Deine ewige Fragerei fällt mir auf die Nerven!«, fauchte er, stürmte aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
    Manchmal verschwand er für einige Stunden, und sie hatte keine Ahnung, wo er sich herumtrieb. Wann immer er zurückkehrte, erweckte er den Eindruck, sie hätte ihn in die Flucht geschlagen. Er verstand es meisterhaft, an ihr Gewissen zu appellieren. Kurz gesagt: Er fand ein williges Opfer in Gabriella. Ihr Leben lang war sie bereit gewesen, diese oder jene Schuld auf sich zu nehmen und ihre Mitmenschen für unschuldig zu halten. Natürlich wusste sie, unter welchem Druck Steve stand. Seit acht Monaten lebte er in New York und war verzweifelt, weil er keine Arbeit fand. Zumindest behauptete er das.
    Wenn sie mit dem Professor darüber sprach, fühlte sie sich Steve gegenüber illoyal, und der alte Mann ermahnte sie zur Geduld. »Allzu lange kann's nicht mehr dauern, bis er einen Job findet. Wenn ich eine Computerfirma hätte, würde ich ihn sofort engagieren.«
    Sie hasste es, ihn mit ihren Problemen zu belasten, weil es ihm zusehends schlechter ging. Er wirkte immer gebrechlicher, und seine innere Kraft, die sie stets bewundert hatte, schwand dahin. In diesem Frühling stellte sich heraus, dass Mrs Rosenstein an Krebs litt. Sie hatten alle ihre Probleme. Im Vergleich dazu erschienen Gabriellas Schwierigkeiten eher geringfügig, und sie würden nicht mehr existieren, sobald Steve eine Stellung fand.
    Im Juli machte sie eine deprimierende Entdeckung – er stahl ihre Schecks und fälschte ihre Unterschrift. Inzwischen hatte er bereits ein paar Schecks eingelöst und größere Summen ausgegeben. Für den restlichen Monat hatte sie kein Geld mehr. Eine Woche später nahm Mrs Boslicki an einem einzigen Nachmittag drei Anrufe von einem Bewährungshelfer in Kentucky entgegen. Da Gabriella nicht wusste, was sie davon halten sollte, wandte sie sich an den Professor, und er meinte, es müsse sich um ein Missverständnis handeln.
    Aber dann öffnete er versehentlich einige an Steve adressierte Briefe und fand heraus, dass der junge Mann verschiedene Namen benutzte, in mehreren Städten Schecks mit gefälschten Unterschriften eingelöst hatte und nach diversen Betrugsdelikten sowohl in Kentucky als auch in Kalifornien unter Bewährung stand. Professor Thomas führte zahlreiche Telefongespräche. Was er dabei herausfand, war keineswegs erfreulich. Steve Porter hatte weder in Yale noch in Stanford studiert, und sein richtiger Name lautete Steve Johnson. Außer Steve Porter hatte er auch noch andere Namen angenommen, zum Beispiel John Stevens und Michael Houston. Seine Polizeiakte war genauso umfangreich wie die Liste seiner falschen Namen lang. Seine Kindheit hatte er nicht in Des Moines, sondern in Texas verbracht.
    Nun fühlte sich Professor Thomas elend, weil er sich in dem jungen Mann so gründlich getäuscht und Gabriella zu dieser verhängnisvollen Freundschaft ermutigt hatte. Er wusste nicht, was er ihr sagen sollte. Darüber dachte er tagelang nach. Letzten Endes beschloss er, Steve mit all den Informationen zu konfrontieren und ihn aufzufordern, die Stadt sofort zu verlassen. Sonst würde er ihn anzeigen. Falls der Mann darauf einging, wollte der Professor ihm versprechen, Gabriella nichts zu verraten. Sie sollte nicht erfahren, wie schamlos dieser Lügner und Betrüger sie hintergangen hatte, dass seine angebliche Liebe reine Heuchelei gewesen war. In ihrem jungen Leben hatte sie schon genug gelitten.
    Eines Nachmittags wartete er im Wohnzimmer auf Steve, und als er seine Schritte in der Halle hörte, ging er ihm entgegen. Er war fest entschlossen, ein vernünftiges Gespräch unter Männern zu führen, und er hoffte inständig, er könnte sich mit Steve einigen und Gabriella schützen.
    Aber bei Steves Anblick ahnte er sofort, dass es Schwierigkeiten geben würde. Offensichtlich hatte der junge Mann getrunken und an der Lower East Side versucht, Marihuana zu kaufen

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