Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home
Intensivstation und forderten Gabriella regelmäßig auf, den Raum zu verlassen.
Während sie seinen Schlaf beobachtete, betete sie für ihn. Seit den Tagen im Kloster hatte sie nicht mehr so inbrünstig gebetet. Jetzt erinnerte sie sich an die seelische Stärke der Schwestern, ihre unerschütterliche Überzeugung, der Allmächtige würde sie immer lieben und schützen. Aus diesem festen Glauben heraus versuchte sie, Kraft zu schöpfen, und sie hoffte, sie könnte dem schwer kranken alten Mann etwas davon übermitteln.
Als sie am Nachmittag nach Hause fuhr, um zu duschen, sich umzuziehen und ihre Mitbewohner zu informieren, schlief der Professor. Anscheinend hatte sich sein Zustand stabilisiert, und sie glaubte, vorerst würde sich nichts dran ändern.
Bevor sie ging, neigte sie sich hinab und küsste behutsam seine Wange. Er rührte sich nicht. Sie war froh, dass er endlich tief und fest schlief. An der Tür drehte sie sich noch einmal um und lächelte. Ganz bestimmt würde er genesen. Er war stark, und er kämpfte ums Überleben. Das spürte sie, und sie versicherte es auch ihren Freunden in der Pension. An diesem Nachmittag wollten Mrs Rosenstein und Mrs Boslicki ihn besuchen. Die Pensionswirtin kündigte bereits an, welche Mahlzeiten sie für ihn kochen würde, wenn er wieder daheim war.
In ihrem Zimmer fand Gabriella eine Nachricht von Steve. Er war in den Park gegangen, um mit Freunden, die ihm vielleicht einen Job verschaffen könnten, Baseball zu spielen. Später würde er ihr alles erzählen.
Minutenlang stand sie unter der Dusche, ließ sich vom heißen Wasser berieseln und dachte an den Mann, der auf der Intensivstation um sein Leben kämpfte. Theodore war nicht nur ein Freund, sondern ein Teil ihrer Seele. Um ihn nicht zu verlieren, würde sie alles tun, und wenn es möglich wäre, ihn sogar mit ihrem eigenen Leben erfüllen. Der Allmächtige hatte ihn zu ihr geschickt, und sie würde ihn nicht gehen lassen. Nein, der liebe Gott durfte ihr Theodore nicht wegnehmen. Dazu hatte er kein Recht. Schon so viele Menschen hatte er ihr genommen. Und ihr Gerechtigkeitssinn sagte ihr, dass sie den Professor behalten müsste.
Als sie ins City Hospital zurückkehrte, brachen Mrs Boslicki und Mrs Rosenstein gerade auf. Beide Frauen waren in Tränen aufgelöst und erzählten ihr, der Professor habe einen Rückschlag erlitten. Jetzt schien sich die Lähmung der rechten Seite zu verschlimmern, und das Atmen fiel ihm schwer. Man hatte einen Luftröhrenschnitt vorgenommen und ihn an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Besorgt eilte Gabriella in den hell erleuchteten Raum und stellte fest, dass er völlig grau aussah.
»Wie ich höre, hast du dich heute sehr schlecht benommen«, schimpfte sie und setzte sich. »Den ganzen Tag hast du alle Schwestern in den Hintern gekniffen.« Seine Augen lächelten schwach. Wieder einmal betrachtete er sie mit jener sonderbaren Intensität. Aber er bewegte den Zeigefinger nicht, und da ihn das Beatmungsgerät behinderte, brachte er keinen Laut hervor. Jetzt wirkte er viel schwächer, doch sie wollte es nicht wahrhaben. Sie erzählte ihm, was sie tun würden, wenn er nach Hause kam. Dann beklagte sie sich, weil er sie schon so lange nicht mehr zum Dinner ausgeführt hatte. »Nur weil Steve in mein Leben getreten ist, bedeutet das keineswegs, dass ich nicht mit dir weggehen kann. Er ist nicht eifersüchtig auf dich. Obwohl er's sein müsste.«
Sie küsste seine Wange, und er senkte die Lider. Offensichtlich focht er einen harten Kampf aus. Sie erwähnte, an diesem Nachmittag würde Steve einige Leute treffen, die ihm vielleicht zu einem Job verhelfen könnten. Da öffnete Theodore die Augen und starrte sie an – immer noch zum Schweigen verdammt. Eine Zeit lang wurde die Stille nur von den Geräuschen der lebenserhaltenden Geräte und der Monitore durchbrochen.
Den ganzen Nachmittag blieb Gabbie bei ihm, und sie überlegte, ob sie abends nach Hause fahren sollte. Letzten Endes rief sie in der Pension an, sprach mit Steve und erklärte ihm, sie würde in der Klinik bleiben. Er berichtete, sein Team habe das Baseballmatch gewonnen. In einer halben Stunde würde er mit seinen Freunden essen gehen. Dann schwärmte er, was für nette Jungs das seien. Alle würden für verschiedene Firmen in der Wall Street arbeiten. Diese Kontakte wollte er jetzt nutzen. Gabriella seufzte erleichtert, weil er beschäftigt war und sie nicht zu vermissen schien. Seit Theodores Schlaganfall vernachlässigte
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