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Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home

Titel: Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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sie Steve, weshalb sie ein schlechtes Gewissen hatte.
    Als sie auflegte, fragte sie sich, mit welchem Geld er sein Dinner bezahlen würde. Darüber dachte sie auf dem Rückweg zur Intensivstation immer noch nach. Sie setzte sich wieder auf den Stuhl neben dem Bett des Professors.
    Dank des Beatmungsgeräts verbrachte er eine ruhige Nacht, denn er musste nicht mehr nach Luft ringen. Irgendwann umfasste er ihre Hand. »Ich liebe dich«, wisperte sie. Manchmal überlegte sie, ob er sie vielleicht für Charlotte hielt. Wann immer er die Augen aufschlug, sah er sie so sanft und zärtlich an. Meistens blieben seine Lider geschlossen. Aber wenn er sie ansah, gewann sie den seltsamen Eindruck, er wäre glücklich. Vielleicht spürt er, dass er wieder gesund wird, dachte sie. Oder ihre innere Kraft stärkte ihn. Genau deshalb wollte sie auch bei ihm bleiben.
    Eine Zeit lang schliefen sie beide und hielten sich an den Händen. Gabriellas Kopf sank auf die Brust, und sie träumte von Joe und ihrem Vater, von Steve und Theodore. Als sie erwachte, schimmerte der Himmel grau. Am Horizont erschienen rosige Streifen. Der neue Tag begann, und der Kampf war noch nicht beendet. Aber Theodore würde es schaffen. Daran zweifelte sie keine Sekunde lang. Sie betrachtete seine geschlossenen Augen, sein völlig entspanntes Gesicht.
    Rhythmisch surrte das Beatmungsgerät. Aus einem der Monitore tönte ein lang gezogenes schrilles Signal, ein anderer begann zu piepsen. Was das bedeutete, wusste sie nicht. Einen Augenblick später stürmten zwei Schwestern herein, ein blaues Licht flammte auf, dann erschienen zwei Pfleger, die Gabriella beiseite schoben und ihre Hände auf Theodores Brust pressten – immer wieder. Schweigend zählten sie die Kompressionen. Der Raum füllte sich plötzlich mit Leuten, und Gabbie hörte in wachsender Angst, was sie einander zuriefen. Nun verstand sie, was geschehen war. Das Gerät atmete immer noch für Theodore, aber sein Herz pochte nicht mehr. Mehrere Minuten lang wurde er hektisch bearbeitet, und schließlich schüttelte einer der Männer den Kopf.
    Die Schwester wandte sich mit sanfter Stimme zu Gabbie. »Tut mir so Leid – er ist gestorben.«
    Ungläubig starrte Gabriella die Schwestern und Pfleger an. Sie mussten sich irren. Oder sie logen. Das durfte er nicht tun. Die ganze Zeit hatte sie bei ihm gesessen, seine Hand gehalten und mit aller Kraft versucht, seinen Lebenswillen zu stärken. Nein, er konnte sie nicht verlassen ... Aber er war ganz sanft hinübergegangen, zu seiner geliebten Charlotte.
    Sie schalteten das Beatmungsgerät ab und gingen still hinaus. Reglos stand Gabbie da, betrachtete den alten Mann und weigerte sich immer noch, an seinen Tod zu glauben. Dann setzte sie sich wieder und ergriff seine Hand. Leise begann sie zu sprechen. »Tu mir das nicht an«, flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme. »Ich brauche dich so sehr ... Lass mich nicht allein ... Bitte, geh nicht weg ... Komm zurück ...«
    Doch sie wusste, dass sie ihn vergeblich anflehte. Jetzt hatte er seinen Frieden gefunden, nach einem erfüllten Leben. Einundachtzig Jahre ... Und er hatte niemals wirklich zu ihr gehört, war nur eine Leihgabe gewesen – für viel zu kurze Zeit. Er gehörte dem Allmächtigen – und Charlotte. So wie die anderen hatte er sie verlassen. Ohne Bosheit oder Zorn, ohne Anschuldigungen. Nichts hatte sie getan, um ihn zu verletzen oder in die Flucht zu schlagen. Er warf ihr auch nichts vor. Tiefe Zuneigung hatte sie verbunden. Jetzt befand er sich an einem anderen Ort, und sie konnte ihm nicht folgen.
    Eine Schwester kam herein und fragte, ob sie einen Wunsch habe. Aber Gabriella schüttelte den Kopf. Sie wollte nur bei ihm bleiben, so lange wie möglich.
    Etwas später wurde sie nach den erforderlichen Arrangements gefragt.
    »Dazu kann ich nichts sagen«, erwiderte sie. »Ich werde mich erkundigen ...« Vielleicht würde Mrs Rosenstein Bescheid wissen. Der Professor hatte keine Verwandten, kannte nur die Menschen, mit denen er fast zwanzig Jahre lang in der Pension zusammengelebt hatte. Und Gabbie. Alle würden ihn vermissen. Aber nicht so schmerzlich wie sie. Er hatte ihr unendlich viel geschenkt, Liebe und Weisheit, und sie beharrlich zur Schriftstellerei ermutigt. Wie sollte sie sich ohne ihn zurechtfinden?
    Schließlich stand sie auf und küsste ihn ein letztes Mal. Inzwischen hatte sie akzeptiert, dass seine Seele entschwunden war. Nur die sterblichen Überreste blieben zurück –

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