Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home
Diese Tragödie lag immer noch bleischwer auf ihrer Seele.
»Und dann trat Steve Porter in Ihr Leben ... Ein bisschen viel für ein einziges Jahr – nicht wahr, Gabbie?« Auch davor war ihr Leben keineswegs erfreulich verlaufen. Von der Mutter misshandelt, vom Vater nicht beschützt, von den Nonnen im Stich gelassen ... Und der geliebte Mann hatte Selbstmord begangen, statt ihr beizustehen und für sein Baby zu sorgen. Wie hatte sie das alles überlebt?
»So seltsam es auch klingt – Steves Betrug und den Mordversuch konnte ich viel leichter verkraften als alles andere. Da wusste ich wenigstens, worum es ging. Es gab keine Geheimnisse. Gewiss, zunächst fühlte ich mich tief verletzt. Aber ich glaube, ich habe ihn nie geliebt. Vielleicht spürte mein Unterbewusstsein, dass er mich nur ausnutzte.«
»Und Sie waren eine leichte Beute. Hoffentlich wird er bis zu seinem letzten Atemzug im Gefängnis schmoren.« Damit schien die Polizei zu rechnen, und das erfüllte Peter mit großer Genugtuung. »Was werden Sie jetzt tun?«
»Schreiben – arbeiten – wieder von vorn anfangen ... Und mich klüger verhalten ... Als ich aus dem Konvent auszog, musste ich sehr viel lernen. In der Welt hier draußen war ich nie zuvor gewesen. Irgendwie fährt man hinter Klostermauern ein unwirkliches Leben, abgeschirmt und behütet. Das war's wohl, was Joe Angst einjagte – er wusste nicht, wie er außerhalb der Kirche zurechtkommen sollte.«
Nach Peters Ansicht war Selbstmord keine Lösung. Joe hatte Gabbie allein gelassen, ohne zu berücksichtigen, dass man ihr die Schuld an seinem Tod geben würde. Nur feige Schwächlinge wählten diesen Ausweg. Aber er fasste seine Gedanken nicht in Worte. »Erst einmal brauchen Sie Zeit, um zu genesen. Nicht nur von den neuen Wunden – auch von den alten. Was Sie in Ihrem jungen Leben durchgemacht haben, erleiden andere nicht einmal in hundert Jahren.«
»Die Schriftstellerei wird mir helfen, meine Erfahrungen zu verarbeiten. Das hat mir der Professor erklärt. Er hat bei mir Türen geöffnet, von deren Existenz ich zuvor nichts gewusst hatte. Diese Türen führen in mein Herz und meine Seele – und dorthin muss ich gehen, wenn ich meine Geschichten zu Papier bringen will.«
»Vermutlich haben Sie die Türen selber geöffnet, Gabbie. So was konnte ein anderer nicht für Sie tun. Ich glaube, der Professor hat Ihnen nur den Schlüssel gezeigt.«
»Ja – vielleicht.«
Ein paar Minuten später kam eine Krankenschwester herein. Eine Vierjährige war bei einem Autounfall schwer verletzt worden – ohne Sicherheitsgurt.
»O Gott, wie ich das alles hasse ...«, seufzte Peter und schaute Gabbie voller Sehnsucht an. Wie gern wäre er bei ihr geblieben ... Bevor er davoneilte, versprach er ihr, er würde sie am Morgen wieder besuchen.
Als sie allein war, dachte sie erstaunt an ihre Geständnisse. So viel hatte sie ihm anvertraut. Und es war ihr sehr leicht gefallen.
Im Lauf der Nacht ging er noch einmal in ihr Zimmer. Sie schlief tief und fest. Minutenlang stand er neben dem Bett und betrachtete ihr Gesicht. Anschließend legte er sich in der Abstellkammer auf die Liege. Was Gabbie erzählt hatte, raubte ihm den Schlaf. Wie konnte man so viel Kummer, so bittere Enttäuschungen ertragen? Warum wurde das einem Menschen zugemutet?
Diese Frage hatte er sich allerdings schon oft gestellt und keine Antwort gefunden.
24
Die Wochen der Genesung erschienen ihr endlos. Trotzdem genoss sie die Stunden, die sie mit Peter verbrachte. Der Arm, die gebrochenen Rippen und die Kopfverletzungen erforderten langwierige Therapien. Aber nach einem Monat fand er keinen Vorwand mehr, um sie noch länger im Krankenhaus festzuhalten. Sie war fast gesund.
Am Morgen vor ihrer Entlassung kam er zu ihr, überreichte ihr einen Blumenstrauß und gestand, wie sehr sie ihm fehlen würde. Er wollte sie um etwas bitten, und er hatte lange gebraucht, um den nötigen Mut aufzubringen. In einer solchen Situation war er nie zuvor gewesen. Noch kein einziges Mal hatte er ein persönliches Interesse an einer Patientin genommen.
Aber wenn sie die Klinik verließ, würde sie nicht mehr zu seinen Patientinnen gehören, und er musste seine Emotionen nicht länger verbergen. »Äh – ich habe mir überlegt ...«, begann er unsicher und fühlte sich wie ein Idiot. »Würden Sie mal mit mir essen gehen – oder Kaffee trinken?« Sein Apartment lag nicht weit von ihrer Pension entfernt, in den East Eighties.
»Warum nicht?«, erwiderte
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