Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home
richtige Entscheidung. Ein besseres Leben kann ich mir nicht vorstellen.«
Lächelnd hob sie die Brauen. Er sah so gut aus, dass die Priestertracht irgendwie nicht zu ihm passte. »Vermutlich waren viele Mädchen bitter enttäuscht.«
»Wohl kaum. Ich kannte gar keine. Im St. Mark's gab's nur Jungen. Außerdem war ich damals zu jung – und ziemlich schüchtern. Wie gesagt, für mich war's genau das Richtige. Bis jetzt habe ich meinen Entschluss keine Sekunde lang bereut.«
»Und ich meinen auch nicht – sobald ich mir sicher war. Jahrelang dachte ich darüber nach. Die Nonnen sprachen unentwegt von meiner ‘Berufung’ ... Aber ich fand, ich wäre nicht gut genug, um das Ordensgelübde abzulegen. Ich wartete auf eine innere Stimme, die mir dazu raten würde. Schließlich war mir völlig klar, dass ich hierher gehöre.«
Verständnisvoll nickte er. Schwester Bernadette war für dieses Leben geschaffen, ebenso wie er selbst für den Kirchendienst. »Vor dem endgültigen Schritt haben Sie noch sehr viel Zeit, um die Sicherheit Ihrer Entscheidung zu prüfen.« Jetzt sprach er wieder wie ein Priester mit ihr, nicht wie ein Freund.
»Ich brauche keine Zeit. Für die Welt da draußen eigne ich mich nicht. Das habe ich während meines Studiums am Columbia College deutlich genug erkannt. Wie ich mich außerhalb der Klostermauern verhalten sollte, weiß ich gar nicht. Ich hatte nie ein Rendezvous, und ich wollte keine Männer kennen lernen. Was sollte ich denn mit ihnen reden? Ich hatte keine Ahnung.« Unbefangen lächelte sie ihn an und vergaß, dass er ein Mann war. »Und ich möchte
niemals, niemals
Kinder bekommen.«
Mit diesem leidenschaftlichen Geständnis weckte sie seine Neugier. »Warum nicht?«
»Dazu habe ich mich schon als kleines Mädchen entschlossen, weil ich fürchtete, ich könnte dem Beispiel meiner Mutter folgen. Wenn ich mir vorstelle, ich würde mein Kind so behandeln wie sie mich ...«
»Welch ein Unsinn, Schwester Bernadette. Warum sollten Sie von den gleichen Dämonen geplagt werden wie Ihre Mutter? Viele Menschen haben eine schreckliche Kindheit hinter sich und sind trotzdem wundervolle Eltern geworden.«
»Und wenn das auf mich nicht zutreffen würde? Soll ich meine Kinder ins nächstbeste Kloster stecken und für immer verlassen? So etwas möchte ich ihnen nicht antun. Das Risiko wäre mir zu groß, und ich weiß, wovon ich rede.«
»Offenbar waren Sie sehr unglücklich, als Ihre Mutter Sie im Stich ließ«, meinte er und dachte bedrückt an den Tag, an dem er seine tote Mutter gefunden hatte. Jenen grauenhaften Augenblick würde er niemals vergessen, trotz aller Gebete. Die Pulsadern aufgeschlitzt, hatte sie in der Badewanne gelegen. Zum ersten Mal hatte er sie nackt gesehen. Beinahe wären ihre Handgelenke vom Rasiermesser des Vaters durchtrennt worden.
»O ja«, gab Gabriella zu. »Aber ich fühlte mich auch erleichtert, denn ich erkannte, dass ich hier im Kloster sicher und geborgen war. Die herzensgute Oberin ersetzte mir die Mutter und rettete mein Leben.«
»Wie ich höre, ist sie sehr stolz auf Ihren Entschluss, dem Orden beizutreten. Und ich glaube, Sie werden dem St. Matthew's alle Ehre machen.«
»Danke, Vater, es war wundervoll, mit Ihnen zu reden.« Errötend lächelte sie ihn an. Als sie die Halle betrat, wo sie mehreren Nonnen begegnete, kehrte ihre natürliche Scheu zurück. Während ihres langen Gesprächs mit dem freundlichen Priester hatte sie den Eindruck gewonnen, sie beide wären ganz allein innerhalb der Klostermauern.
»Passen Sie auf sich auf, Schwester.«
Wortlos erwiderte sie sein Lächeln, ging davon, und er holte seinen Mantel aus dem Hauptgebäude, bevor er die St. Stephen's School aufsuchte. Für ihn war es ein angenehmer Sonntag gewesen. Er genoss seinen Dienst im St. Matthew's, die Gespräche mit den Nonnen, die einen wichtigen Teil seines Berufslebens darstellten. Stets hatte er ihre unermüdliche Arbeit in Krankenhäusern und Schulen oder in den Missionarstationen bewundert, wo sie manchmal ihr Leben aufs Spiel setzten. Was würde Schwester Bernadette eines Tages tun? Er glaubte an ihre Fähigkeit, den Menschen Trost zu spenden, vor allem den Kindern. Auf dem Weg zur Schule dachte er immer noch an sie.
Inzwischen schrubbte Gabriella gemeinsam mit zwei anderen Postulantinnen den Küchenboden. Schwester Annes hasserfüllten Blick nahm sie nicht wahr, ebenso wenig, wie ihr aufgefallen war, dass Mutter Gregoria ihren Spaziergang mit Vater Connors
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