Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home
platzierte sie zwischen den Tellern mit den gebratenen Truthähnen. Außer dem Gemüse und den Kartoffeln wurden noch Salate, Biskuits und Maisbrot serviert. Zum Nachtisch gab es verschiedene Kuchen, Pasteten und hausgemachte Eiscreme.
»Wow!« Bewundernd musterte Vater Connors die reich gedeckten Tische und fühlte sich wieder wie ein kleiner Junge. »Ihr jungen Damen wisst, wie man ein unvergessliches Ostermahl vorbereitet.« Dieses Lob entging Schwester Emanuel nicht, und sie strahlte vor Stolz auf ihre Schülerinnen.
Fast den ganzen Nachmittag blieben die Gäste im Garten. Während Gabriella ein Stück Apfelkuchen verspeiste, kam Vater Connors zu ihr. Beim Essen hatte er sich angeregt mit der Oberin, einigen älteren Nonnen und ihren Verwandten unterhalten. Am liebsten sprach er mit Mutter Gregoria, einer hochgebildeten, geistreichen Frau. Auch sie genoss es, ihn näher kennen zu lernen. Der junge Priester arbeitete erst seit kurzer Zeit an der St. Stephen's School. Zuvor war er in Deutschland gewesen, dann hatte er sechs Monate im Vatikan verbracht und wertvolle Erkenntnisse gesammelt.
»Probieren Sie ein bisschen Vanilleeiscreme dazu«, schlug er vor und zeigte auf Gabriellas Apfelkuchen. Wie gut das schmeckte, hatte er soeben ausprobiert. »Mmm ... Was für ein fantastischer Lunch! Sie sollten zusammen mit den anderen Postulantinnen und den Novizinnen ein Restaurant eröffnen. Damit würden Sie ein Vermögen für unsere Kirche verdienen.«
»Das werde ich Mutter Gregoria vorschlagen«, erwiderte Gabriella belustigt. »Von dieser Idee wird sie ganz begeistert sein.«
»Natürlich muss das Lokal einen effektvollen Namen bekommen – zum Beispiel ‘The Nuns’. Neulich wurde in einer alten Kirche im Stadtzentrum ein Nachtclub eröffnet. Da wird der Altar als Bar benutzt.« Allein schon darüber zu reden war reine Blasphemie. Trotzdem mussten sie lachen. »Bevor ich das Priesterseminar besuchte, tanzte ich sehr gern«, gestand er und legte ein Stück Blaubeerkuchen, der ihn an die Brombeeren seiner Kindheit erinnerte, auf einen Teller. »Tanzen Sie gern, Schwester Bernadette?«, fragte er.
Lächelnd schüttelte sie den Kopf. »Das habe ich nie versucht. Seit meinem elften Lebensjahr lebe ich im Kloster.« Aber das wusste er bereits. »Als ich ein kleines Mädchen war, gaben meine Eltern viele Partys. Da saß ich auf dem Treppenabsatz und schaute zu, wie die Gäste tanzten. Doch ich ging nie hinunter. So schön sahen sie alle aus, wie Märchenfeen und Prinzen. Ich dachte, wenn ich mal erwachsen wäre, würde ich auch dazugehören.« Was mit dem Haus in der East Sixtyninth Street und der Einrichtung geschehen war, wusste sie nicht. Vielleicht hatte die Mutter alles verkauft. So viele Jahren waren verstrichen ...
»Wo haben Sie früher gewohnt?«, fragte er und häufte etwas Eiscreme auf den Rest ihres Apfelkuchens.
»Danke ...« Die Augen geschlossen, kostete sie einen Bissen und lächelte anerkennend. »Mmm – wirklich sehr gut. Wir lebten etwa zwanzig Häuserblocks von hier entfernt. Keine Ahnung, was aus dem Haus geworden ist ...«
»Waren Sie nie mehr dort?« Das fand er seltsam. Allein schon aus reiner Neugier wäre er hingegangen.
»Daran dachte ich, als ich am Columbia College studierte. Aber ...« Sie zuckte die Achseln und schaute ihn mit ihren großen blauen Augen an, die seinen so erstaunlich glichen. »Zu viele Erinnerungen. Ich weiß nicht, ob ich das Heim meiner Kindheit wiedersehen möchte. So lange ist es her ...« Jetzt führte sie ein ganz anderes, glücklicheres Leben.
»Wenn Sie wollen, fahre ich mal hin – nur um zu sehen, ob das Haus noch existiert. Geben Sie mir die Adresse.«
»Ja, das wäre nett.« Vater Connors könnte an ihrer Stelle den Dämonen der Vergangenheit gegenübertreten und ihr dann Bericht erstatten. Sicher würde Mutter Gregoria keine Einwände erheben. »Waren Sie später noch einmal im St. Mark's?«
»Hin und wieder.« Inzwischen hatte er sein zweites Stück Kuchen gegessen. »Auf dem Grundstück meines Elternhauses wurde ein Parkplatz angelegt, und ich habe keine Verwandten. Außer St. Mark's ist nichts von meiner Kindheit übrig geblieben.«
Nur schmerzliche Erinnerungen begleiteten ihn – und zerbrochene Träume, die sich nicht mehr reparieren ließen. Auch Gabriella musste dieses Schicksal hinnehmen. Aber sie waren beide dankbar, weil sie das Leid überlebt hatten. Im Glauben fanden sie Zuflucht. Und während sie im sonnigen Garten von St. Matthew's
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