Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home

Titel: Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
Vom Netzwerk:
beiden Mädchen fühlte sie sich wohl. Sie genoss es, jeden Tag die gleiche Tracht anzuziehen wie die Mitschülerinnen, den Unterricht mit ihnen zu teilen und dem großen Ziel entgegenzustreben – dem Tag, an dem sie ihr Ordensgelübde ablegen würde. Mehr wünschte sie sich nicht vom Leben. Bis sie zu dieser Erkenntnis gelangt war, hatte es lange gedauert. Jetzt war sie restlos glücklich. Bevor sie einschlief, dachte sie wieder an Vater Connors, der ihr mit Verständnis und Humor geholfen hatte, ihr Problem etwas distanzierter zu betrachten. Sie musste irgendwann wieder bei ihm beichten. Am Wochenende würde er allerdings erst zurückkommen. Er war viel einfühlsamer als Vater O'Brian. Plötzlich wurde sie von einer Zuversicht erfüllt, die sie nie zuvor empfunden hatte, und sie versank lächelnd in einen tiefen, friedlichen Schlaf, aus dem sie erst am Morgen erwachte.

9
    Die restliche Woche verging sehr schnell. Wie üblich hatten die Postulantinnen viel zu tun. Gabriella hatte sich freiwillig zur zusätzlichen Gartenarbeit gemeldet. Vor dem Sommer wollte sie mehrere Gemüsesorten pflanzen. Dabei fand sie Zeit, um nachzudenken und zu beten. Jede Art von körperlicher Arbeit entspannte sie. Nach der Abendandacht schrieb sie Geschichten oder Gedichte. Das tat sie nur noch selten, seit sie sich auf das anstrengende Noviziat vorbereitete. Außerdem hatte Schwester Anne ihr die Freude an der Schriftstellerei ein wenig verdorben, weil sie behauptete, Gabriella sei eitel und viel zu stolz auf ihre Werke.
    Doch das stimmte nicht. Es machte ihr einfach nur Spaß zu schreiben. Ob es anderen Leuten gefallen würde, was sie verfasste, überlegte sie nicht. Ihre Seele brauchte ein Fenster, durch das sie hinausschauen konnte, eine Straße, um auf Reisen zu gehen. Es waren halt die Nonnen, die das Talent der jungen Autorin bewunderten, und darüber ärgerte sich die neidische Anne maßlos.
    In diesen Tagen ging Gabriella ihr aus dem Weg und bemühte sich, die Ratschläge zu befolgen, die ihr Vater Connors bei der Beichte gegeben hatte.
    Wie angekündigt kam er am Wochenende zurück, las eine Messe und nahm den Nonnen die Beichte ab. Als er Gabriellas Stimme im Dunkel des Beichtstuhls erkannte, fragte er freundlich, wie es ihr gegangen sei. Dank seines ungezwungenen Wesens konnte sie viel offener sprechen als mit den anderen Priestern, und das Ritual spendete ihr einen ganz besonderen Trost. Es hatte ihr zwar schon immer viel bedeutet, denn nur in solchen Augenblicken gewann sie den Eindruck, die schrecklichen, unausgesprochenen Sünden ihrer Kindheit, die Mommy ihr vorgeworfen hatte, könnten vergessen werden – allein bei der Beichte sah sie ein Licht in den schwarzen Tiefen ihrer Seele.
    Sie versicherte dem jungen Priester, sie würde Schwester Anne nicht mehr hassen und sie habe viel gebetet. Zur Buße für die geringen Vergehen, die sie gestanden hatte, erlegte er ihr fünf Ave-Marias auf. Dann entließ er sie. Reim Frühstück sah sie ihn wieder. Er saß am Tisch der Oberin, trank Kaffee und winkte Gabriella zu. Seine Ähnlichkeit mit ihrem Vater überraschte sie erneut. Wenn Vater Connors auch größer war und liebenswürdiger lächelte – irgendetwas an ihm erschien ihr vertraut.
    Am Nachmittag, während der Gartenarbeit, wurde sie von Schwester Anne mit einem hässlichen Verdacht konfrontiert. »Hast du mit Schwester Emanuel über Vater Connors gesprochen?«
    »Warum sollte ich?«, fragte Gabriella verständnislos.
    »Neulich sah ich dich mit ihm reden. Und heute Morgen hast du im Speisesaal mit ihm geflirtet.«
    Das musste ein Scherz sein. Diesen albernen Vorwurf konnte Gabriella nicht ernst nehmen. Lachend schüttelte sie den Kopf und beugte sich wieder über ihre Basilikumpflänzchen. »Sehr komisch.« Aber dann blickte sie auf und sah einen sonderbaren Ausdruck in den Augen der anderen Postulantinnen, der sie beunruhigte.
    »Wohl kaum«, entgegnete Anne. »Darüber solltest du mit Schwester Emanuel reden.«
    »Mach dich nicht lächerlich, Schwester Anne!«, erwiderte Gabriella ärgerlich. Der eifersüchtigen Mitschülerin fielen immer wieder neue Methoden ein, um sie zu quälen und Schuldgefühle zu wecken – was ihr diesmal misslang. »Ich habe nur im Beichtstuhl mit Vater Connors gesprochen.«
    »Lüg nicht!«, zischte Anne. Ihr bisheriges Leben war nicht allzu erfreulich verlaufen. Eine Woche vor der geplanten Hochzeit hatte ihre Jugendliebe die Verlobung gelöst. Von dieser schmerzlichen Enttäuschung ins

Weitere Kostenlose Bücher