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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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liefen meine Bannungen aus. Meine letzten Ferien hatte ich 1948 gehabt, als ich im ANC noch ein unerfahrenes »Leichtgewicht« gewesen war, dessen Pflichten im wesentlichen darin bestanden, an Zusammenkünften der Exekutive von Transvaal teilzunehmen und gelegentlich öffentliche Versammlungen zu begrüßen. Jetzt, mit 38 Jahren, gehörte ich zu den »Halbschwergewichten« und trug neben mehr Pfunden auch mehr Verantwortung. Zwei Jahre lang war ich sozusagen in Johannesburg eingesperrt gewesen, behindert in meiner juristischen wie politischen Tätigkeit, und während dieser Zeit hatte ich die Familienangelegenheiten der Mandelas in der Transkei notgedrungen vernachlässigt. Ich war begierig darauf, die altvertraute Landschaft wiederzusehen, draußen zu sein im offenen Veld und auf den schwingenden Hügeln der Transkei meiner Kindheit. Und ich war gleichermaßen erpicht, meine Familie zu sehen und mit Sabata und Daliwonga über bestimmte Probleme der Transkei zu sprechen. Auch dem ANC lag daran, daß ich mit ihnen über politische Angelegenheiten sprach. So hatte ich jetzt eine Art Arbeitsurlaub.
    Am Abend vor meiner Abreise versammelte sich in meinem Haus eine Anzahl von Freunden. Unter ihnen war auch Duma Nokwe, der junge, gutmütige Anwalt, der damals nationaler Sekretär der Jugendliga war. Duma hatte Walter auf seiner Reise zur Jugendkonferenz in Bukarest begleitet, und an jenem Abend unterhielt er uns mit russischen und chinesischen Liedern, die er auf seiner Reise gelernt hatte. Um Mitternacht, als meine Gäste sich zum Gehen anschickten, wachte Makaziwe, mein damals zweijähriges Töchterchen, auf und fragte mich, ob sie mit mir kommen könne. Ich hatte für meine Familie nicht genügend Zeit gehabt, und Makaziwes Bitte löste Gewissensbisse in mir aus. Plötzlich war meine Reisefreude dahin. Ich trug das Kind zu seinem Bettchen zurück, und während es wieder einschlief, traf ich meine letzten Reisevorbereitungen.
    Meine Reise war eine Art Bestandsaufnahme, die ich verbinden wollte mit dem Vergnügen, das Land sowie alte Freunde und Gefährten wiederzusehen. Ich war von Entwicklungen in anderen Teilen des Landes isoliert gewesen, und nun war ich begierig, mit eigenen Augen zu sehen, was sich im sogenannten Hinterland getan hatte. Zwar las ich eine Vielzahl von Zeitungen aus dem ganzen Land, doch Zeitungen sind nur ein ärmlicher Schatten der Wirklichkeit; ihre Informationen sind für einen Freiheitskämpfer nicht deshalb wichtig, weil sie die Wahrheit wiedergeben, sondern weil sie die Vorstellungen und Vorurteile jener enthüllen, welche die Zeitung machen, und jener, die sie lesen. Auf dieser Reise wollte ich unmittelbar mit unseren Menschen auf dem Land sprechen.
    Kurz nach Mitternacht fuhr ich los, und innerhalb einer Stunde war ich auf der Straße nach Durban. Die Straßen waren leer, und begleitet wurde ich nur von den Sternen und den sanften Winden von Transvaal. Obwohl ich nicht geschlafen hatte, fühlte ich mich munter und frisch. Bei Tagesanbruch gelangte ich nach Natal, dem Land von Catywayo, dem letzten unabhängigen König der Zulus, dessen Truppen 1879 bei Isandhlwana eine britische Einheit vernichtet hatten. Doch der König konnte der Feuerkraft der Briten nicht widerstehen und übergab schließlich sein Reich. Kurz nach Überquerung des Flusses an der Grenze zu Natal sah ich die Majuba-Hügel, den steilen Hang, wo ein kleines Buren-Kommando im Hinterhalt gelegen und eine Garnison britischer Rotröcke besiegt hatte – weniger als zwei Jahre nach Catywayos Niederlage. Bei den Majuba-Hügeln hatte der Afrikander entschlossen seine Unabhängigkeit gegen den britischen Imperialismus verteidigt und sich für den Nationalismus geschlagen. Jetzt verfolgten die Nachkömmlinge ebenjener Freiheitskämpfer meine Leute, die genau für das stritten, wofür die Afrikander einmal gekämpft hatten und gestorben waren. Während ich durch jene historische Hügellandschaft fuhr, dachte ich allerdings weniger an die Ironie der Geschichte, wie nämlich die Unterdrückten zu Unterdrückern werden, sondern daran, daß die gnadenlosen Afrikander von den Händen meines Volkes ihren eigenen Majuba-Hügel verdienten.
    Diese rauhe Träumerei wurde unterbrochen durch die fröhliche Musik von Radio Bantu aus meinem Autoradio. Die konservative Politik, wie sie über Radio Bantu verkündet wurde, dem Sprachrohr der regierungsamtlichen South African Broadcasting Corporation, widerte mich an, doch um so besser gefiel mir die

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