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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Musik. (In Südafrika machten afrikanische Künstler die Musik, doch weiße Schallplattenfirmen das Geld.) Ich hörte das populäre Programm mit dem Titel »Rediffusion Service« mit den meisten der besten Sänger des Landes: Miriam Makeba, Dolly Rathebe, Dorothy Masuku, Thoko Shukuma und den weichen Sound der Manhattan Brothers. Mir gefallen alle Arten von Musik, doch die Musik meines eigenen Volkes geht mir sofort ans Herz. Die eigentümliche Schönheit der afrikanischen Musik besteht darin, daß sie aufrichtet, selbst wenn sie eine traurige Geschichte erzählt. Vielleicht bist du arm, vielleicht wohnst du in einer verfallenen Hütte, vielleicht hast du deine Arbeit verloren, doch in dem Lied ist etwas, das dir Hoffnung gibt. Afrikanische Musik handelt oft von den Wünschen der Afrikaner, und sie vermag die politische Entschlossenheit jener zu bestärken, die sonst der Politik gleichgültig gegenüberstünden. Man braucht bloß die ansteckende Wirkung des Gesangs bei afrikanischen Versammlungen zu beobachten. Politik kann durch Musik verstärkt werden, doch Musik hat auch Kräfte, die der Politik widerstehen.
    In Natal hielt ich mehrfach an und traf mich heimlich mit ANC-Führern. In der Nähe von Durban machte ich in Pietermaritzburg halt, wo ich die ganze Nacht mit Dr. Chota Motale, Moses Mabhida und anderen verbrachte, um die politische Situation im Lande zu erörtern. Dann reiste ich nach Groutville weiter und verbrachte den Tag mit Häuptling Luthuli. Obwohl er durch Bannungs-Anordnungen mehr als ein Jahr in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt war, war der Häuptling über die ANC-Aktivitäten wohlinformiert. Er bedauerte die, wie er meinte, wachsende Zentralisierung des ANC in Johannesburg und die schwindende Macht der Regionen. Ich versicherte ihm, daß uns daran gelegen sei, daß die Regionen stark blieben.
    In Durban, meinem nächsten Halt, traf ich mich mit Dr. Monty Naicker vom Exekutivkomitee des Natal Indian Congress. Hier brachte ich ein heikles Thema zur Sprache, nämlich die Meinung des Nationalen Exekutivkomitees, daß der Indian Congress in jüngster Zeit inaktiv geworden sei. Doch es widerstrebte mir, das Thema anzurühren, denn Dr. Naicker war älter als ich und ein Mann, der weit mehr hatte erleiden müssen als ich. So diskutierten wir Möglichkeiten, die Restriktionen der Regierung zu überwinden.
    Von Durban fuhr ich in südlicher Richtung die Küste entlang, vorbei an Port Shepstone und Port St. Johns, kleinen, reizenden Kolonialstädten an den weißen Stränden des Indischen Ozeans. So bezaubernd die Schönheit des Landstrichs auch ist, ich fühle mich doch immer wieder zurückgestoßen durch die Gebäude und Straßen, die Namen von Imperialisten tragen, die genau die Bewohner unterdrückten, deren Namen eigentlich dort stehen müßten.
    Als ich in die York Road einbog, in die Hauptstraße von Umtata, verspürte ich jenes erhebende Gefühl von Vertrautheit und teuren Erinnerungen, das den Menschen bei der Heimkehr nach langem Exil überkommt. Ich war 14 Jahre fortgewesen, und wenn es zur Begrüßung des verlorenen Sohnes auch keine Fahnen und keine gemästeten Kälber gab, so erfüllte mich doch eine ungeheure Erregung, als ich meine Mutter, mein bescheidenes Zuhause und die Freunde meiner Jugend wiedersah. Doch meine Reise in die Transkei hatte einen zweiten Beweggrund: Meine Ankunft fiel zusammen mit der Zusammenkunft eines Sonderkomitees, das den Übergang vom sogenannten Bungha-System der Transkei zu den Bantu-Behörden beobachten sollte.
    Die Rolle der Bungha, die aus 108 Mitgliedern, zu einem Viertel Weiße, zu drei Vierteln Afrikaner, bestand, lag in der Beratung der Regierung bei Gesetzesvorhaben, die Afrikaner des Gebietes betrafen, und in der Regelung lokaler Angelegenheiten wie Steuern und Straßenbau. Die Bungha war zwar die einflußreichste politische Körperschaft in der Transkei, doch ihre Beschlüsse waren beratender Natur, und ihre Entscheidungen bedurften der Überprüfung durch weiße Magistratsbeamte. Die Bungha war nur so mächtig, wie die Weißen es gestatteten. Doch der Bantu Authorities Act sollte sie durch ein noch repressiveres System ersetzen, durch eine feudalistische Ordnung, die auf Erb- und Stammesunterschieden beruhen sollte, über welche die Regierung befand. Die Regierung behauptete, die Bantu-Behörden würden die Menschen von der Kontrolle durch weiße Behörden befreien, doch das war nichts als Verschleierung der Untergrabung von Demokratie durch den

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